Rainer Langhans hat früher in der Kommune I gelebt, jetzt zieht er bei RTL in den Dschungel - für ihn die Urform der Kommune.

Stuttgart - Rainer Langhans kommt mit seinem Hollandrad. In der japanischen Teestube nicht weit entfernt vom Hauptbahnhof in München, die er als Treff für ein Interview vorgeschlagen hat, ist kein Platz mehr frei. Aber der Rainer, wie dieses Gesamtkunstwerk aus gelockter Mähne, Brille und Baumwoll-Look genannt wird, hat eine Idee. Ein veganes Restaurant liegt auf dem Weg zu ihm nach Hause. Er sagt: "Komm, wir laufen."

Für seine siebzig Jahre legt er ein beachtliches Tempo vor - beim Reden wie beim Laufen. Schon an der vierten Fußgängerampel sind wir bei der Frage, wie der Fernsehsender RTL auf die Idee gekommen ist, ausgerechnet ihn, den Mitbegründer von Deutschlands erster WG, in eine Show einzuladen, die nicht nur in seinen Kreisen als Ekel-TV verschrieen ist: ins "Dschungelcamp". Rainer Langhans sagt, er wisse genau, dass die Menschen auf Indizien warten, die das Bild des esoterisch verkrachten Spinners zementierten. Doch das nimmt er in Kauf. Und so beantwortet er diese Frage mit einer Verve, wie sie nur Überzeugungstäter besitzen, die keine Sekunde an sich und ihrer Mission zweifeln.

"Das Dschungelcamp ist die Urform der Kommune", sagt er allen Ernstes. "Man hockt sich Tag und Nacht auf der Pelle und geht sich auf die Nerven." Wie zermürbend das sein kann, hat er schon 2003 bewiesen. Da ließ er sich für die Reality-Soap eines Lokalfernsehsenders mit den fünf Frauen seines Harems in einer Wohnung einsperren und rund um die Uhr filmen. Es war ein absurdes Theater. Jetzt sagt er, dass der Erfolg des "Dschungelcamps" doch zeige, dass seine Art zu leben gesellschaftsfähig geworden sei. Ja, die Teilnahme an der Show sei seine Chance, um sein Mantra einem Millionenpublikum zu verkünden - wenn auch mit vierzig Jahren Verspätung.

Kaum noch einer nimmt ihn heute ernst


Das ist also der Mann, der 1967 erst die Klotür aus den Angeln gehoben und dann die Monogamie und das Privateigentum abgeschafft hat. So jedenfalls will es die Legende. Die Medien haben sie gestrickt, er hat sich das gerne gefallen gelassen. Dabei, sagt er heute, habe er nie die Welt verändern wollen, nur sich selbst. Zu spät hat er gemerkt, dass er einen hohen Preis für dieses Spiel mit den Medien gezahlt hat. Kaum noch einer nimmt ihn heute ernst - weder die Kritiker der 68er-Bewegung noch die Weggefährten von einst. "Rainer ging es immer nur um die PR", sagt Michael "Bommi" Baumann, ein Kumpel aus den Tagen der Kommune I - und der Einzige, der heute nicht sofort den Hörer auflegt, wenn man mit ihm über Rainer Langhans sprechen will.

Der ehemalige Haschrebell ist jetzt 62 Jahre alt und Frührentner, er lebt beinahe bürgerlich mit seiner Frau in Berlin-Friedrichshain. Baumann sagt, er erinnere sich mit Schrecken an die Kommune I. Eine "Psychobude" sei das gewesen. "Die saßen da und haben sich gegenseitig analysiert, stundenlang." Er sagt, er kenne das "Dschungelcamp" zwar nicht, doch nach allem, was er über die Sendung gehört habe, sei das keine Hölle, sondern das Paradies für den Rainer. Reden könne der immer noch gut - notfalls auch mit Apfelstückchen als Gegenüber, wie Fritz Teufel einmal süffisant bemerkt hat. Eine Anspielung auf die wundersame Verwandlung vom Vorzeigehippie zum Esoteriker, die Langhans 1972 nach der Begegnung mit einem indischen Meister vollzog.

Andere Weggefährten verzeihen ihm die Teilnahme an der RTL-Show nicht. Langhans sagt, er bekomme "Hass-Mails", seit der Sender verkündet hat, dass er der Einladung folgen werde - wenn auch nur unter der Bedingung, dass er keine Maden quälen müsse. Wie zum Beweis zitiert er aus seiner "Fanpost": "Jetzt verkaufst Du Dich auch noch für Geld." Es ist kein abwegiger Gedanke. 50000 Euro zahlt RTL dem Mann, der keinen Hehl daraus macht, dass er von einer Rente von 202 Euro aus seiner Zeit als Bundeswehrsoldat lebt. Dazu kommen Honorare für Bücher und Vorträge.

Für Geld verkauft sich so einer nicht


Wer ihn zu Hause in seiner Bude in Schwabing besucht hat, glaubt ihm allerdings, wenn er beteuert, er ziehe nicht wegen des Geldes ins Camp. Es ist eine beinahe leere Einzimmerwohnung in der dritten Etage eines Mehrfamilienhauses - ohne Kühlschrank ("das ist mein Balkon"). Sie sieht so aus, wie man sich die Zelle eines Mannes vorstellt, der seine Zeit damit verbringt, sich selber und seine Neurosen zu spiegeln. Eine Matratze, ein Laptop und ein Fernseher, mehr braucht er offenbar nicht als Begleiter auf dem Weg nach innen. Nicht zu vergessen seine geliebte Kopfstandbank. Keine Frage: für Geld verkauft sich so einer nicht. Vielleicht ist die RTL-Show seine letzte Chance, sich von seinem Image als Witzfigur zu befreien.

Seine Frauen waren da anfangs skeptischer. Brigitte Streubel ist eine aparte Sechzigerin, wie die anderen Frauen wohnt sie bei Langhans um die Ecke. Sie sagt, er habe ihr geholfen, sich selber so zu akzeptieren, wie sie sei, beziehungsunfähig und ungeschminkt. Rainer Langhans will, dass sie ihn nach Australien begleitet. Zwei Wochen im Fünfsternehotel, all inclusive. So steht es in ihrem Vertrag mit RTL.

Vielleicht hat sie diese Aussicht mit der Dschungelshow versöhnt. Jedenfalls drückt sie ihm jetzt beide Daumen. Sie sagt, wenn es Ingrid van Bergen in der letzten Staffel geschafft habe, den Dschungel als Königin zu verlassen, dann schaffe der Rainer das erst recht.