Der Unionskanzlerkandidat umgibt sich mit bekannten Gesichtern wie Friedrich Merz und Dorothee Bär, überrascht mit Namen wie Peter Neumann und Joe Chialo – und produziert doch neue Unklarheit.

BERLIN - Am Ende der Vorstellungsrunde, als Armin Laschet alle acht Frauen und Männer in seinem neuen „Zukunftsteam“ hinter sich schart, wendet er sich an die Fernsehkameras. „Ich freue mich auf den Endspurt“, sagt der Unionskanzlerkandidat, den die jüngsten Umfragen mittlerweile ein ganzes Stück hinter den Sozialdemokraten mit ihrem Bewerber Olaf Scholz sehen: „Und ich freue mich, in den nächsten Tagen einmal zu sehen, welche weiteren Persönlichkeiten denn die SPD aufzubieten hat.“

 

Die Frage nach der möglichen Besetzung eines Scholz-Bundeskabinetts hat durchaus ihren Reiz – weil in den Reihen der Genossen bekanntlich manch einer steht, der politisch deutlich links vom kühl-rationalen Hanseaten steht und bei manchen traditionellen Unionswähler durchaus als Schreckgespenst taugen könnte. Die Frage fällt aber natürlich auch auf den Fragesteller zurück: Schließlich will die Union als Volkspartei eine nicht weniger große Bandbreite abdecken, weshalb CDU-Chef Laschet als erstes Friedrich Merz auf die Bühne holt, der sicher nicht weniger polarisiert als SPD-Chefin Saskia Esken oder ihr Vize Kevin Kühnert. Den einen ist Merz Projektionsfläche konservativ-wirtschaftsliberaler Sehnsüchte, den anderen ein Rechtsausleger von vorgestern.

Liefert die Truppe auch Personal für künftige Ministerposten?

Die Teamvorstellung am Freitag zur Frühstückszeit ist auch aus weiteren Gründen nicht ohne Risiko. Die kurzfristige Einladung provoziert Fragen danach, ob das Konrad-Adenauer-Haus jetzt im Krisenmodus angekommen ist. Die Neuen müssen beantworten, seit wann sie mit dem Kanzlerkandidaten über ihre Teammitgliedschaft reden. Karin Prien, Schleswig-Holsteins Kultusministerin, will schon „im Mai“ angesprochen worden sein, Klimaexperte Andreas Jung aus Konstanz verweist wie Dorothee Bär, die stellvertretende CSU-Vorsitzende und Digitalstaatsministern im Kanzleramt, auf einen länger anhaltenden Gesprächsprozess. Da ist aber auch der Musikmanager Joe Chialo, Wahlkreiskandidat aus Berlin-Spandau, der bei Laschets Besuch dort vor knapp zwei Wochen noch nichts von einem Team wusste.

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Offen bleibt auch dessen Status. Der Kandidat verliert kein Wort darüber, ob die achtköpfige Truppe das Reservoir wäre, aus dem er ein Kabinett bilden oder andere wichtige Posten besetzen würde. Laschets allererstes Teammitglied, Gesundheitsminister Jens Spahn nämlich, ist nicht anwesend an diesem Tag. Jung spricht von einer „Ergänzung“ des bestehenden Toppersonals der Partei. Chialo wiederum sagt: „Ich bin nicht der, der jetzt sagt: Ich werde Minister.“ Bär wiederum kündigt eine Veranstaltung am Montag an, auf der noch ein „Digitalteam“ präsentiert wird. Zugleich ist klar, dass gerade sie darauf brennt, das von der Union versprochene „Bundesministerium für digitale Innovationen und Transformation“ auch zu führen: „Ich habe acht Jahre Regierungserfahrung und bin bereit für das, was da kommt.“ Auch der Terrorismusexperte Peter Neumann sieht sich nicht nur als Berater: „Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen.“

Der größte Lobgesang kommt vom Terrorexperten

Neumann ist es auch, dem der bisher glaubwürdigste Lobgesang auf Laschet im gesamten bisherigen Wahlkampf gelingt. Der weltweit renommierte Sicherheitsfachmann am King’s College in London berichtet von vielen Politikern, die er in den vergangenen Jahren kennenlernte, und davon, dass die einen nur kurzfristig auf eine Schlagzeile aus seien und die anderen vermeintlich alle Antworten selbst schon wüssten. „Dann gibt es eine dritte Gruppe von Politikern, zu denen gehört Armin Laschet, die wirklich zuhören, wirklich reflektieren und sich echt für die Themen interessieren.“ Dementsprechend hält Neumann auch den von Laschet geforderten Nationalen Sicherheitsrat für elementar, um die außenpolitischen Abstimmungsschwierigkeiten der Bundesregierung zu überwinden, die es zuletzt in Bezug auf Afghanistan gab.

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Jenseits aller wahlkampftaktischen Fragezeichen gelingt es der Union bei der Teamvorstellung durchaus, auch einige inhaltliche Akzente zu setzen. „Familien brauchen Zeit“, sagt die die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Silvia Breher – und wirbt damit für Familienzeitkonten, die die Union in die Arbeitswelt tragen will. Die unter anderem von den Grünen geforderte Abschaffung des Ehegatten-Splittings bezeichnet sie als kaum versteckte Steuererhöhung für Familien, die es mit CDU und CSU nicht geben werde.

Die Kieler Ministerin Prien legt den Schwerpunkt auf eine bessere frühkindliche Bildung und will die Reibungsverluste zwischen Bund und Ländern im Bildungssektor verringern – aus Berlin würde künftig mehr Geld für Brennpunktschulen vor Ort kommen.

Dorothee Bär kündigt eine Initiative an, wonach „flächendeckend digitale Bildungszentren in allen Landkreisen“ eingerichtet werden sollen – 500 Stück bundesweit, ein Großprojekt.

Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch komplettiert die achtköpfige Runde, die Laschet zufolge alle Parteiflügel zusammenhalten und zugleich neue Ideen für die Zukunft entwickeln soll. Ob das im Sinne von Laschets politischer Zukunft rechtzeitig zur Wahl gelingt, wird sich am 26. September zeigen.