In unserer neuen Kolumne geht es um Intimbereiche. Heute macht sich die Stuttgarter Sexualberaterin Claudia Huber Gedanken über den „50 Shades of Grey“-Hype und fragt sich, was wohl aus BDSM-Zeug aus dem Baumarkt geworden ist.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Neulich im Internet: Ich stolpere über Werbung für den sechsten Teil von „50 Shades of Grey“. Den sechsten Teil? Eigentlich, so habe ich mir sagen lassen, war ja nach Teil drei Schluss und Anastasia Steele hat ihren Christian Grey geheiratet, Friede, Freude, Eierkuchen. Und in den Schlafzimmern der Nation geht es seitdem heiß her? Ich glaube nicht.

 

Eine sexuelle Revolution ist ausgeblieben, hastig eingekaufte Sextoys und zweckentfremdete Utensilien aus dem Baumarkt verstauben wahrscheinlich unterm Bett. Zumindest nehme ich keine Veränderungen bei den Beratungsanfragen wahr, die mich täglich erreichen. Auch Mails mit Fragen rund um SM und Unterwerfungsspiele wurden nicht mehr.

Aus meiner Sicht war es nicht die BDSM-Thematik, die „50 Shades of Grey“ zum Erfolg verholfen hat. Sicher auch nicht die sprachliche Qualität – Band Eins, der einzige, den ich gelesen habe, erzählt eine einfache Hollywood-Geschichte. Die Bücher sind auch nicht aus der Wisser-Perspektive geschrieben: Die Autorin E. L. James hat die geschilderten sexuellen Begegnungen nicht selbst erlebt.

Kaninchenvibrator aus „Sex and the City“

James hat aber – wahrscheinlich ohne das zu wissen – eine Sache sehr gut gemacht: Die Gleichung der Erotik, wie sie der amerikanische Sexualtherapeut Jack Morin beschrieben hat. Sie lautet vereinfacht: Anziehung plus Hindernisse gleich sexuelle Erregung. Die Geschichte spricht Sehnsüchte an, nutzt Status- und Machtunterschiede, die es zu überwinden gilt, verstärkt die Spannung, indem der Leser enorm ambivalente Eindrücke bekommt und als Sahnehäubchen kommt ein gewisses Gefühl der Unanständigkeit auf. Ziemlich anregend. Und ständig die Hoffnung, ob sie ihn „zähmen“ kann. Am Schluss sind Steele und Grey ein normales Pärchen. Verpackt durch den Unanständigkeitsfaktor der romantisierten BDSM-Sexszenen.

Von „50 Shades of Grey“ ist nicht viel mehr geblieben als vom Kaninchenvibrator, der seinerzeit wegen der Serie „Sex and the City“ einen Hype erfuhr. Sexuell selbstbestimmtere Frauen hat das Buch leider nicht hervorgebracht. Zugegebenermaßen ist BDSM ein wenig salonfähiger geworden. Und vielleicht hat das Phänomen ja dazu ermutigt, manche Dinge im Bett einfach mal auszuprobieren und den Blick für sexuelle Inspiration geschärft. Denn die gibt es nicht nur in Büchern. Man kann sie überall finden.

Ach ja. Was steht denn nun in Teil sechs der eigentlich abgeschlossenen Romanreihe? Laut Klappentext schildert er die Ereignisse noch einmal – aus der Sicht des Christian Grey. „50 Shades of Grey“ ist durch, aber es ist denkbar, dass mit Morins Erotikformel der nächste Sex-Hype bereits vor der Tür steht. Vielleicht mit Slow-Sex oder Tantra.

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