Fremde Beziehungen zu analysieren und Tipps zu geben, ist nicht immer schlau. Warum Ratschläge auch immer Schläge sind und wie man selbst auf ungefragte Liebes-Tipps reagiert, erklärt Paartherapeut Oliviero Lombardi.

Stuttgart - Zunächst ist es so, dass Ratschläge auch Schläge sind. Von daher muss man sehr vorsichtig sein und keine Ratschläge oder Beziehungstipps erteilen, wenn sie nicht ausdrücklich gefragt sind. Wenn eine Freundin oder ein Freund einem die Ohren vollheult, dann ist der Auftrag im Subtext, dass man zuhören und beipflichten sollte – aber nicht „erteile mir Ratschläge“. Das wird oft falsch verstanden und man erteilt mit guter Absicht Ratschläge, was auch zu Irritationen führen kann, wenn das Gegenüber gar nicht so reagiert, wie man sich das vorstellt. Hier geht es in erster Linie um Wahrnehmung, Anteilnahme und Bestätigung. Wenn man erwartet, der andere würde auf die Ratschläge hören, kann man leicht enttäuscht werden. Wenn man zum Beispiel seinen Freunden wiederholt rät, sich zu trennen und dann nichts geschieht, kann das frustrierend sein. Wie bei jedem Feedback, sollte man als erstes fragen, ob derjenige überhaupt Ratschläge will und verkraften kann.

 

„Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“

Wenn man mitbekommt, dass der Partner der Freundin zum Beispiel fremdgeht, oder gar selbst von ihm angebaggert wird, muss man vorsichtig mit dieser Situation umgehen. Denn „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ – und am Ende ist man als Dritter der Leidtragende. Oftmals ist es so, dass man sich auf eine Seite stellt und sich solidarisiert, auf den fremdgehenden Partner schimpft. Wenn sich das Paar dann wieder verträgt und versöhnt, kann die Freundschaft gestört und beklemmend sein. Auch wenn der zuvor angefeindete Partner davon Wind bekommt, kann es zu Problemen kommen.

Ist man mit einem Paar befreundet und kriegt einen Verrat mit, sollte man prüfen, wem gegenüber man loyaler ist. Steht man einer Person näher, sollt man das Problem vorsichtig ansprechen, da sie zu Recht die Wahrheit erwartet. Wenn man im Loyalitätskonflikt ist und beiden nah steht, würde ich das auch genauso begründen, falls der Verrat zu Tage tritt. Das sollten die Freunde verstehen. Sonst würde ich auch die Freundschaft überdenken.

Kein Rat ohne Mandat

Bekommt man selbst Feedback, sollte man prüfen, ob man das Einmischen mag und will. Ist es nicht angebracht, sollte man ganz offen darüber sprechen und sagen, dass man es momentan nicht verträgt. Man sollte nicht gute Miene zum bösen Spiel machen, sondern sich möglichst frühzeitig nach den eigenen Bedürfnissen orientieren und dem Gegenüber rückmelden, welchen Umgang man mit Problemen will.

Wichtig ist, dass man immer ganz klar nach dem Mandat fragt: Darf ich etwas sagen, einen Ratschlag geben, mich einmischen. Das ist als Berater und Therapeut übrigens ganz das Gleiche, denn ohne Auftrag verbrennt man sich – abgesehen von der vergebenen Liebesmühe – die Finger.

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