Jeder Mensch sollte ein bisschen narzisstisch sein, findet Paartherapeutin Bettina Höfer. Denn wer ständig den Partner braucht, um mit sich selbst im Reinen zu sein, setzt dauerhaft seine Beziehung aufs Spiel.

Stuttgart - Zum dritten Mal in dieser Woche geht Maja zum Yoga. Kopfüber streckt sie sich in den herabschauenden Hund, atmet tief und gleichmäßig in ihren Bauch und schließt die Augen. Trotz der anstrengenden Pose fühlt sie sich wohl inmitten der Matten, der leisen Musik und des gedämpften Lichts. Yoga ist Majas selbst gewählter Alltagsausgleich.

 

Eine Stunde nach Feierabend, in der sie die Welt aus- und sich selbst anschaltet – wäre da nicht Torsten, Majas Freund. Denn der, so weiß sie, liegt währenddessen zuhause auf dem Sofa und schmollt. Weil er glaubt, Maja ziehe den Sport ständig ihm vor. Weil sie nie daran denke, dass er gerne Zeit mit ihr verbringen würde und stattdessen mehr Abende im Yogastudio ist als bei ihm in der gemeinsamen Wohnung.

Der Partner ist nicht für das eigene Glück verantwortlich

Seit gut zwei Jahren führen Maja und Thorsten deswegen die immer gleichen Diskussionen. Maja zieht und zerrt an der kurzen Leine, an der sie dank Thorstens Vorwürfen gefühlsmäßig hängt. Und Thorsten fühlt sich gleichzeitig von seiner Freundin vernachlässigt und gekränkt: Denn eigentlich sollte die bessere Hälfte einen doch glücklich machen, oder? Nur will das mit Maja einfach nicht klappen.

Um es direkt vorweg zu nehmen: Das kann es auch nicht. Denn wer mit unrealistischen Ansprüchen in eine Beziehung geht, kann am Ende nur scheitern. Wenn man zum Beispiel den anderen dafür verantwortlich macht, dass man selbst sich gut fühlt, muss man mit Enttäuschungen rechnen. Wie sehr Maja sich auch verbiegt, Thorstens Sehnsucht wird sie daher nicht stillen können. Die liegt nämlich nicht in ihrem Verhalten, sondern in ihm selbst begründet.

Narzisstische Bestätigung will jeder

Dabei ist Thorstens Wunsch nach Nähe und Bestätigung im Grunde gar nicht ungewöhnlich. Jeder sehnt sich schließlich auf eine narzisstische Art und Weise nach dem Gefühl, von jemand anderem geliebt, bestätigt und gewollt zu werden. Doch während diesem Gefühl ein paar getrennte Abende pro Woche normalerweise nichts anhaben können, haben Menschen wie Thorsten mit diesen scheinbaren Zurückweisungen zu kämpfen. Sie beziehen die Entscheidungen des Partners schnell auf sich, in ihren Köpfen gibt ein „entweder – oder“ und wenn die Wahl des anderen auf Dinge abseits gemeinsamer Abende fällt, gleicht das oft einer Niederlage. Einer Kränkung. Dem Gefühl, nicht richtig gewollt zu werden.

Muster aus der Kindheit

All das passiert natürlich nicht bewusst. Dahinter stecken vielmehr Muster, die in der frühen Kindheit erlernt worden sind und die man nur aufdecken kann, wenn man sich die Lebensgeschichte der betroffenen Personen genau anschaut. Ein Beispiel: Wenn ein Kind in der Familie eine sichere Bindung erlebt hat, kann es diese später auch mit anderen Menschen reproduzieren. Ist das hingegen nicht der Fall, wird der Partner oft zum Spiegel der eigenen Ängste.

Sich selbst im „Wir“ sehen

Ungesund für eine Beziehung wird das vor allem, sobald daraus eine Art Abhängigkeit entsteht und unrealistische Ansprüche im Raum stehen. Dass der Partner ständig verfügbar sein und seine eigenen Interessen hinten an stellen soll, zum Beispiel.

Der Weg aus dieser Misere ist allerdings so einfach (in der Theorie) wie kompliziert (in der Umsetzung): Man muss sich selbst im „Wir“ wiederfinden. Einen Schritt zurücktreten und die eigenen Bedürfnisse und Wünsche identifizieren, sich klarzumachen, woher die Ansprüche an den anderen kommen und ob sie wirklich gerechtfertigt sind. Im zweiten Schritt gilt es, den Blickwinkel des anderen einnehmen zu können und auf empathische Art und Weise nachzuvollziehen, wie es ihm geht und was er gerade braucht.