Kaum ist etwas mit dem Papst, fällt uns das Lateinische wieder ein. Es gibt ja auch gute Gründe, in der Schule die Sprache zu lernen. Julia Schröder sind gleich zehn eingefallen – und ein paar lateinische Bonmots dazu.

Stuttgart - Kaum ist etwas mit dem Papst, fällt uns das Lateinische wieder ein. Es gibt ja auch gute Gründe, es zu lernen. Uns sind zehn davon eingefallen

 

I: Wer in der Schule Latein gelernt hat, muss das später auf der Universität nicht nachholen. Klar, Französisch und Spanisch kann man im Urlaub besser brauchen, Englisch ist eh unverzichtbar. Das (Große) Latinum ist aber für mehr Studienfächer Voraussetzung, als mancher denkt. Nicht nur für die Theologie, sondern auch für Geschichte und alle möglichen Philologien, also Sprachen. Für die Juristerei oder die Medizin braucht man es komischerweise nicht mehr. Wie man unter den Umständen eine kolloquiale Konversation über den CIC (Codex iuris Canonici, s. auch „Papst“) oder Appendizitis mit Perforation (Blinddarmdurchbruch) zumindest simulieren will, ist ein Rätsel. Beziehungsweise Mysterium.

II: Wer in der Schule Latein gelernt hat, hat mehr von beliebten TV-Serien. Wer etwa erschließen kann, was die gut aussehenden Männer in den weißen Kitteln meinen, wenn sie zwischen Sectio caesarea und Sedation abwägen, fühlt sich gleich viel wohler bei „Grey’s Anatomy“, „Private Practice“, „A gifted Man“ und „Dr. House“.

III: Wer in der Schule Latein gelernt hat, tut sich später mit Altgriechisch leichter (s. auch „Theologiestudium“). Jedenfalls ein bisschen. Wenn ihm die lateinische Grammatik nicht eh Hekuba geblieben ist.

IV: Wer in der Schule Latein gelernt hat, kann Eltern und andere Verwandte bei der Besichtigung alter Gemäuer mit der Übersetzung von Inschriften wie „ARTEM NON ODIT NISI IGNARVS“ (Die Kunst hasst nur der Unkundige) beeindrucken.

V: Wer in der Schule Latein gelernt hat, ist in der Lage, beim Italiener auf Italienisch zu bestellen, oder glaubt das zumindest.

VI: Wer in der Schule Latein gelernt hat, ist bei der Lektüre von Asterix-Heften nicht auf das angewiesen, was am unteren Seiten- oder Panelrand an Übersetzungen angeboten wird, um Sprechblasen mit Inhalten wie „Alea iacta est“ oder „Mit ,t’ wie ,timeo danaos et dona ferentes’?“ oder „Fluctuat nec mergitur“ zu entschlüsseln. Wer in der Schule Latein gelernt hat, könnte sich sogar das ganze Abenteuer in der Fassung zu Gemüte führen, die anfängt mit: „Tota Gallia, quae, ut vides, est divisa in partes quinque, a Romanis occupata est . . . Totane? Minime! Vicus quidam a Gallis invictis habitatus invasoribus resistere adhuc non desinit.“ Tjaha.

VII: Wer in der Schule Latein gelernt hat, versteht vielleicht früher als alle anderen Journalisten, dass der Papst jetzt nicht mehr von Heiligsprechungen redet, wenn sein Satz mit „. . . vires meas ingravescente aetate non iam aptas esse . . .“ weitergeht, sondern dass er von seinen eigenen mit fortschreitendem Alter nachlassenden Kräften spricht. Wie die italienische Journalistin Giovanna Chirri, die am Montag damit der römischen Presseagentur Ansa zu einer sensationellen Eilmeldung verholfen hat.

VIII: Wer in der Schule Latein gelernt hat, versteht, was unter Angelina Jolies Bauchnabel tätowiert steht: „Quod me nutrit me destruit“, nämlich „Was mich nährt, zerstört mich.“ Das Motto wird dem Shakespeare-Zeitgenossen Christopher Marlowe zugeschrieben, gilt heute aber als Erkennungszeichen unter Anorektikern (was eine griechische Wurzel hat und „Magersüchtige“ bedeutet).

IX: Wer in der Schule Latein gelernt hat, kann für den Rest seines Lebens mit einem T-Shirt „Latinum 1995“ herumlaufen und davon erzählen, was man im Lateinunterricht fürs Leben gelernt hat. (s. auch „Non scholae, sed vitae discimus“)

X: Wer in der Schule Latein gelernt hat, verfügt über die Möglichkeit, Geburtstagsgrüße mit einem dreifach donnernden „Ad multos annos“ zu verzieren. Der erfährt aber auch ohne Umschweife, wann er schleunigst seinen Nachlass regeln sollte: wenn nämlich neben dem Klinikbett ein Arzt dem anderen etwas von „Exitus“ zumurmelt.