Seit 40 Jahren pflegen Lauffen am Neckar und die französische Stadt La Ferté-Bernard die deutsch-französische Freundschaft. Auf einer Podiumsdiskussion bekannten sich die Teilnehmer zu Europa. Man müsse mehr miteinander als übereinander reden.

Lauffen am Neckar - Machen soziale Medien Städtepartnerschaften überflüssig? Auf die Frage hat Lauffens „Eigengewächs“ Alina Täschner (Jahrgang 1994) spontan die passende Antwort: „Persönliche Freundschaften können doch nicht übers Internet entstehen.“ Die Zustimmung des Publikums ist der Französisch-Studentin gewiss, schließlich ist man zu Pfingsten in Lauffen am Neckar (Kreis Heilbronn) eben aus diesem Grund zusammengekommen: um 40 Jahre Städtepartnerschaft mit dem französischen La Ferté-Bernard zu feiern.

 

Zum Auftakt diskutiert Holger Gayer, in dem romantischen Städtchen beheimateter Redakteur der Stuttgarter Zeitung, mit Gästen in der Alten Kelter darüber, ob Verbindungen wie diese „Zukunftsprojekt oder Auslaufmodell“ sind – eine rhetorische Frage. Und auch die Befürchtung, Städtepartnerschaften seien nur etwas für „Silberlocken“, scheint unbegründet angesichts des Versprechens der Studentin, sich künftig im Partnerschaftskomitee einzubringen. Nicht nur die junge Lauffenerin gibt vor den rund 100 Gästen aus dem 9100-Einwohner-Städtchen im Loiretal (und ebenso vielen aus ihrer Heimatstadt) ein klares Bekenntnis ab zur Partnerschaft zwischen Deutschen und Franzosen. Über die Bedeutung dieser Völkerverständigung sind sich der stellvertretende EU-Parlamentspräsident Rainer Wieland aus Gerlingen, die gebürtige Französin Hélène Stauss aus Stuttgart und der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec einig. Mucksmäuschenstill wird es im Saal, als Spec die berührende Geschichte des Mannes erzählt, der den Impuls für die erste Städtepartnerschaft überhaupt gegeben hat, die zwischen seiner Stadt und dem französischen Montbéliard: dessen Bürgermeister Lucièn Tharadin war während des Krieges ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert worden. „1950 ist er auf das Deutsch-Französische Institut zugegangen, seine Vision umzusetzen“, berichtet Spec – die Vision von einer Versöhnung zwischen einstigen Feinden.

Bei Schülern stehen Englisch und Spanisch hoch im Kurs

Noch zwölf Jahre sollte es dauern, bis Charles de Gaulle als erster Präsident der Grande Nation Deutschland besuchte und im Ludwigsburger Schlosshof seine Aufsehen erregende Rede hielt, „dass der Jugend eine entscheidende Rolle bei der Festigung der deutsch-französischen Freundschaft zukommt“. Holger Gayer lenkt die Diskussion zum Thema Schüleraustausch: Warum zieht es junge Menschen heute eher nach Australien als nach Frankreich? Die deutsch-französische Partnerschaft gelte als selbstverständlich, meint Alina Täschner, die ihre französische Gastfamilie „zweite Familie“ und La Ferté-Bernard „zweite Heimat“ nennt. Heute lerne man neben Englisch eher das weit verbreitete Spanisch als Französisch.

Mit dieser Entwicklung ist Hélène Stauss gar nicht einverstanden. Sie hat ihre beiden Kinder zweisprachig erzogen und eine Petition gegen die Abschaffung des bilingualen Unterrichts in Frankreich unterschrieben. „Wir Kommunen sind da selbstbewusst“, berichtet Spec mit hörbarem Stolz von den beiden deutsch-französischen Kindergärten in Ludwigsburg und Montbéliard, die auf Initiative der Partnerstädte entstanden. Zweisprachige Erzieherinnen kosteten auch nicht mehr.

Miteinander statt übereinander reden

„Ich habe überhaupt keinen Grund, François Hollande zu loben“, provoziert Rainer Wieland erstaunte Blicke bei den französischen Gästen („er ist CDU-Mann“, klärt Moderator Gayer geistesgegenwärtig auf), aber es sei heute auf europäischer Ebene ein überparteiliches Anliegen, bilinguale Schulen zu fördern. Doch er wolle auch an die Generation seiner Eltern erinnern – sein Vater war Koch: „Da war gar nicht daran zu denken, eine andere Sprache zu lernen.“ Englisch sei für „die ganz normalen Leute“, die nur eine Fremdsprache lernten, als Türöffner zur Völkerverständigung nötig, gießt der Europapolitiker – zu Recht – etwas Wasser in den deutsch-französischen Wein. 2200 Städtepartnerschaften existieren mittlerweile zwischen Frankreich und Deutschland, klärt Gayer auf und schiebt eine Frage an den Europapolitiker nach: „Was können wir von ihnen lernen?“ Mehr miteinander als übereinander zu reden, gibt der spontan zurück. „Dann sagt man eben nicht mehr der Deutsche oder der Franzose, sondern wir Europäer“, begeistert sich Hélène Stauss, die eingangs zum Vergnügen des Publikums ihre ersten Erfahrungen in Deutschland geschildert hatte. Sprudel statt Volvic, Kaffee statt Arabica, volle Teller im Restaurant statt kleiner Portionen und legere statt formeller Kleidung an Festtagen – all das sei für eine Französin doch sehr überraschend gewesen. „Zwei Länder, die nebeneinanderliegen und doch so verschieden sind“, staunt sie noch heute.

Die Simultanübersetzung lässt die französischen Gäste an der lebhaften Diskussion teilnehmen. Eine gute Idee des Partnerschaftskomitees: bekanntlich hat der Geist des Herrn zu Pfingsten alle „in fremden Sprachen“ reden lassen.