Beim StZ-Lauf knallt es nicht nur beim Start. Auf der Laufmesse dominieren bunte Farben. Und das alles für mehr Sauerstoff.

Stuttgart - Dieses komische Etwas springt einem sofort ins Auge. Lange Schnüre liegen aneinander gereiht in allen möglichen Farben und Farbkombinationen auf einer Fläche aus. Nur: wofür? Seilspringen? Unmöglich. Dafür sind sie zu kurz. Schnürsenkel können es auch nicht sein. Die Kordeln sind schließlich mit Knoten in regelmäßigen Abständen unterbrochen, wie sollte man sich damit denn die Schuhe binden? Und vor allem: Wer zieht so ein knalliges Band denn überhaupt an? In neon und grellen Farben, nicht zu übersehen.

 

Aber es ist eben doch so: Es sind Schnürsenkel und ziemlich viele wollen sie sich durch die Laufschuhe fädeln. „Das ist vor allem bei Triathleten beliebt“, sagt Verkäufer Andreas Beck. „Die Marathon-Läufer gelten ja allgemein als konservativer als die ausgeflippten Triathleten, aber hier haben auch schon ein paar eingekauft.“ Neben Blau, Neongelb, knalligem Orange und Rot liegen etwas sanftere Varianten in Hellblau, Braun, Grau, Schwarz und Weiß. „Die weniger Experimenttierfreudigen können sich erst einmal daran versuchen“, sagt Beck mit einem Grinsen.

Der Knotenschnürsenkel ist im Kommen

Der Schnürsenkel enthält einen Gummikern, beim Einfädeln wird die Schnur lang gezogen und passt so ohne Probleme durch jede Öse. Durch jede Öffnung kann der Schuh individuell angepasst werden und der Knoten stabilisiert das Ganze. Die Zeit der Schlaufe ist abgelaufen.

In den vergangenen Jahren gab es an Innovationen für die Läufer dieser Welt keinen Mangel. Noch hat sich der Knotenschnürsenkel nicht durchgesetzt, aber er ist stark im Kommen. Etablierter ist da schon der Kompressionsstrumpf. Vom Flugzeug auf die Straße, so kann der Weg dieses Kleidungsstückes beschrieben werden. Manche preisen ihn als das neue Laufutensil, andere zweifeln an seiner Wirkung. Die Funktion ist schnell beschrieben: Durch den Druck, der auf Venen und Arterien ausgeübt wird, kann das Blut besser zirkulieren. Sauerstoff und Nährstoffe werden leichter transportiert, das soll eine Leistungssteigerung, eine längere Ausdauer und eine schnellere Regeneration bringen. Kurzum: die Beine werden so leicht wie noch nie, der Läufer kann effektiver Kilometer um Kilometer absolvieren. Angeblich.

Ironmen-Europa-Champion Timo Bracht wirbt dafür, aber beim Stand der Firma CEP werden die potenziellen Kunden vor allem durch eines angelockt: Die Farben. Mit pink und einem leuchtenden Grün an den Musterwaden aus Plastik wirbt der Hersteller und hebt sich optisch von der Konkurrenz ab. Das ist auch das Ziel der Läufer, die sich Kompressionsstrümpfe kaufen. Manchmal geht es eben nicht nur um die Funktionalität, sondern um das Aussehen. Auffallen um jeden Preis scheint bei manchem Sportler das Motto zu sein, vor allem bei Triathleten. Neben den bunten Knoten-Schnürsenkeln tragen viele die knalligen Kompressionsstrümpfe. Es knallt eben nicht nur beim Startschuss, sondern auch bei der Kleidung. „Grün und Pink sind bei Triathleten sehr beliebt, auch oder vor allem bei den Männern“, erklärt die Expertin Diana Schneider.

Ob die Strümpfe helfen?

Auch Jens Zimmermann wurde von den Farben angelockt. Entschieden hat sich der Marathon-Läufer dann aber doch für das klassische Schwarz. Die Messung seiner strammen Waden ergibt Strumpfgröße vier, das Anziehen erweist sich als schwerer als gedacht. „Es fühlt sich ziemlich gut an, auch wenn ich mich eher geniere mit solchen Strümpfen zu laufen“, sagt er. „Vielleicht kommt das, weil ich früher Strumpfhosen anziehen musste und nie wollte.“ Bei seinem siebten Halbmarathon beim StZ-Lauf wird er die neuen Laufhilfen tragen, spätestens dann weiß er, ob sie etwas gebracht haben.

Wenn bunte Kompressionsstrümpfe und Schnürsenkel gekauft sind, fehlt noch eines: der Schuh. Auch hier geht es farbenfroh zu. Vor allem asics wirbt mit dem freizügigen Griff in den Farbeimer. „Dass wir das machen, hängt sicherlich mit der starken Nachfrage zusammen“, sagt Verkäufer Frederik Höderath. Er selbst trägt quietschgelbe Treter, wenige Meter neben ihm gruppieren sich ein paar Mädchen um ein besonders ausgefallenes Modell, auf dem wirklich alle existierenden Farben vereint worden sind.

Er teilt die Farbfreunde und Farbschüchternen nicht nur in Marathon-Läufer und Triathleten ein, sondern vor allem in Geschlecht und Alter. „Ältere Menschen tendieren generell mehr zu schlichteren Dingen und sind vor allem auf die Funktionalität bedacht. Ungefähr so ist es auch bei den Männern“, sagt er. Frauen hingegen legen seiner Erfahrung nach viel Wert auf das Aussehen. „Manchmal ist es schwierig, eine Kundin von einem Modell abzubringen, dass ihrem Fuß weniger entspricht, aber besser aussieht“, sagt Höderath.

Alles für mehr Sauerstoff

Innovativ, aber weniger farbenfroh ist es ein paar Stände weiter. Neben überdimensionalen Getränkeflaschen, Powerriegeln und Nahrungsergänzungsmitteln steht ein Schaufensterkörper, der etwas falsch platziert scheint. Joggen? In einem Taucheranzug? Aber mit Wasser hat das Kleidungsstück nur indirekt zu tun. Dieser Ganzkörperanzug ist ein Kompressionsstrumpf für alle Gliedmaßen.

Das Grundprinzip ist das gleiche: Sowohl Oberteil, als auch Hose sollen die Durchblutung fördern und dem Läufer zu einer Leistungssteigerung verhelfen. Das hat seinen Preis: Wer seine Strecken von Sauerstoff durchströmt absolvieren will, muss über 200 Euro investieren. Die Zielgruppe ist entsprechend vorgegeben: „Seit rund fünf Jahren nimmt der Absatz dieser Kompressionswäsche zu“, sagt Verkäuferin Carin Keller. „Bei dieser Preisklasse liegt der Fokus natürlich eher bei Leistungssportlern und bei ambitionierten Hobbyläufern.“ Dass der Anzug außer den gelben Nähten schwarz ist, dürfte für die Farbsüchtigen nicht weiter schlimm sein. Drei Stände weiter werden T-Shirts zum Drüberziehen verkauft – in knallbunt.