Der Laupheimer Carl Laemmle wanderte in die USA aus – der Schwabe legte den Grundstein für die Traumfabrik Hollywood. Einige Freunde gingen auch nach Amerika. Sie waren nicht minder erfolgreich.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Laupheim - Gerade 17 Jahre alt ist Carl Laemmle gewesen, da wanderte er nach Amerika aus. Das war 1884. Er schmiedete das Kinofilmimperium Universal, legte den Grundstein für Hollywood. Von seinem Reichtum schenkte er immer wieder auch Laupheim etwas, schickte Kleidung, als die von den Folgen des Ersten Weltkrieges ausgemergelte oberschwäbische Kleinstadt am Boden lag. Als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, verhalf er mit Bürgschaften, sogenannten Affidavits, vermutlich 300 jüdischen Landsleuten zur Ausreise in die USA und rettete sie damit vor Deportation und Ermordung. Die Geschichte dieses Unternehmers, Wohltäters, Lebensretters und berühmten Schwaben ist mittlerweile bekannt, nicht zuletzt durch die im Juli 2017 zu Ende gegangene Ausstellung „Carl Laemmle presents...“ anlässlich des 150. Geburtstags im Stuttgarter Haus der Geschichte. Lange genug hat es ja gedauert.

 

Sonderschau über Laemmle wurde runderneuert

In Laupheim erinnert seit dem Jahr 2000 eine Sonderschau innerhalb des Museums zur Geschichte von Christen und Juden im Schloss Großlaupheim an den berühmten Sohn der Stadt, dessen Heimatliebe zum Ende seines Lebens unerwidert blieb. Jetzt ist dieser Ausstellungstrakt im Erdgeschoss auf wissenschaftlichen Rat des Hauses der Geschichte runderneuert worden. Nach 17 Jahren sei es Zeit geworden, das Digitalzeitalter auch durch diese Türen zu lassen, sagt der Museumsleiter Michael Niemetz. Neben Touchscreens gibt es unter anderem einen mirakulösen „Medientisch“, der auf Befehl die Schicksale geretteter Laupheimer Juden anhand digital erscheinender Dokumente oder Fotos transparent macht – ein mächtiges Recherchewerkzeug etwa für Schüler von Oberstufenklassen. Außerdem, sagt der Museumschef, habe sich die Forschung zu Laemmle in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt. Zu den wesentlichsten Neuerkenntnissen über den Laupheimer gehört, dass er nicht allein war. Nicht auf seiner Reise nach Amerika und auch nicht im unternehmerischen Erfolg, den er auf dem neuen Kontinent erzielte.

Vom armen Schlucker zum Unternehmer

Schon ein Jahr vor Laemmle zog aus Laupheim einer seiner besten Freunde ins gelobte Land: Isidor Nathan Landauer. Er gründete in New York gleich mehrere Textilfirmen. Oder Leopold Hirschfeld: Er wanderte 1884 an der Seite Carl Laemmles aus, in New York wandte er sich der Süßwarenproduktion zu. Sein Vermögen machte Hirschfeld mit Schokoladenbonbons der Marke „Tootsie Roll“ – benannt nach dem Spitznamen der Tochter. Innerhalb von sechs Jahren wurden 700 Millionen Stück verkauft. Der vierte famose Laupheimer im Bunde ist Samuel Moritz Einstein. Er folgte Laemmle ein Jahr später in die USA, besaß nichts, verkaufte erst Schnürsenkel, bis er einen Geschäftspartner fand, mit dem er in der Kleinstadt Attleboro Firmen zur Produktion von Manschettenknöpfen und Herrenschmuck gründete.

Carl Laemmle junior tritt aus dem Schatten des Vaters

Laemmle und seine alten Laupheimer Freunden widmet die neue Schau jetzt einen eigenen Raum, würdigt jeden einzelnen Auswanderer mit Text und Bild. So erweitert sich die Ausstellung von der Monografie, die sie bisher war, zum Laupheimer Heimatmuseum. Eine klarere Kontur bekommt erstmals auch Laemmles Sohn, Carl Laemmle junior, der im Schatten des übermächtigen Vaters verkümmerte.

Was der Sonderschau blieb, ist der kleine Kinosaal mit seinen pittoresken roten Plüschsesseln. Da treten sie dann nochmals auf: Bela Lugosi als galant-gefährlicher Graf Dracula oder Boris Karloff als das Monster Frankenstein, alle im Glanz neuer Ton- und Bildtechnik. Sich mit Laemmle beschäftigen, heißt eben auch, sich immer wieder an seinen Filmklassikern zu freuen.

Vergangener Glanz

Öffnung

Das Museum zur Geschichte von Christen und Juden ist samstags, sonntags und an Feiertagen von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen für Gruppen sind nach Voranmeldung auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich. Anmeldungen unter museum@laupheim.de oder telefonisch unter (0 73 92) 96 80 00.

Zerstörung

Zerstörung
Mitte des 19. Jahrhunderts ist die jüdische Gemeinde Laupheim mit bis zu 843 Mitgliedern die größte im damaligen Königreich Württemberg gewesen. Die Nazis haben diese Gemeinde ausgelöscht. Zu den Geflohenen gehörte die Leichtathletin Gretel Bergmann. Sie starb im Juli vergangenen Jahres.