Die Stadt Stuttgart will bei der LBBW stille Einlagen in voll haftendes Kapital umwandeln. Das sorgt für politischen Streit. Denn damit verzichtet die Stadt nach Informationen der StZ auf Zinsen in Höhe von 80 Millionen Euro.

Stuttgart - Die Stuttgarter Stadtverwaltung als Anteilseigner der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hat sich nach Informationen der Stuttgarter Zeitung mit ihren Partnern, Land und Sparkassenverband Württemberg, auf eine Regelung zur Stärkung der Bank geeinigt: Die Träger sollen – vorbehaltlich der Zustimmung der politischen Gremien – übereingekommen sein, 2,2  Milliarden von insgesamt 3,2 Milliarden Euro stille Einlagen in voll haftendes Eigenkapital umzuwandeln. Ein Sprecher der Stadt wollte diese Information weder bestätigen noch dementieren. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und der Finanzbürgermeister Michael Föll (beide CDU) ließen lediglich mitteilen, das Thema werde unmittelbar nach den Herbstferien im Verwaltungsausschuss des Gemeinderates diskutiert.

 

Europäische Bankenaufsicht macht Druck

Viele Eigentümer von Kreditinstituten in Deutschland sind von der europäischen Bankenaufsichtsbehörde Eba aufgefordert worden, ihre Häuser krisensicherer zu machen. Deshalb sollen künftig nur noch Finanzinstrumente zum sogenannten harten Kernkapital zählen, die definitiv an möglichen Verlusten beteiligt sind. Stille Einlagen waren das bisher nicht.

Kontroverse Debatten sind absehbar, denn die Stadt würde nach StZ-Informationen bei der Umwandlung von 440 Millionen Euro stille Einlagen (von insgesamt 698 Millionen Euro) in Anteilsscheine auf aufgelaufene Zinsansprüche im Wert von rund 80 Millionen Euro verzichten. Diese Bugwelle baut sich seit 2009 auf. Seitdem gibt es die früher anstandslos ausbezahlten sechs Prozent Zinsen nicht mehr. Dass sich die Bank mittelfristig so gut entwickelt, dass diese verloren gegangenen Ansprüche später in Form höherer Dividenden kompensiert werden könnten, halten Experten für zweifelhaft. Bank-Aufsichtsräte – selbst wenn sie städtische Vertreter sind – dürften die Bank nämlich nicht „plündern“, nur um die Stadtkasse zu füllen.

Produzierte die Bank künftig rote Zahlen, würde sich die Stadt mit Anteilsscheinen schlechterstellen, denn die Dividende kann ausfallen. Ein Anspruch auf Nachzahlung besteht dann – anders als bei den stillen Einlagen – nicht.

Gemeinderatsfraktionen sind uneins

CDU und SPD wollen bei der Umtauschaktion aller Voraussicht nach dennoch mitmachen, die Grünen sind skeptisch, SÖS/Linke lehnen die feste Beteiligung ab, weil sie diese als riskant erachten und weil sie nicht 80 Millionen Euro in den Wind schreiben wollen. Zum Vergleich: das ehrgeizige Ziel Schulhaussanierung kostet rund 200 Millionen Euro; der Eigenanteil für den Rosensteintunnel beläuft sich auf etwa 80 Millionen Euro. Eines sei allerdings aus vertraglichen Gründen nicht möglich, sagte unlängst Finanzbürgermeister Föll: nämlich das Geld aus der Bank abzuziehen. Die stillen Einlagen seien mittelfristig angelegt.

Aus Ertragssicht war die Beteiligung der Stadt an der Landesbank in Höhe von 1,2 Milliarden Euro am Kernkapital und den 698 Millionen Euro an stillen Einlagen in den vergangenen Jahren wertlos: 2010 und 2011 gab es wegen des schlechten Ergebnisses keine Ausschüttungen; dabei hatte der Kämmerer Michael Föll für den Haushalt der Stadt Stuttgart 2012/2013 rund 184 Millionen Euro eingeplant. Für 2012 sind bereits wieder Zinsen für die stillen Einlagen von 28 Millionen Euro aufgelaufen. Der Auszahlungszeitpunkt ist ungewiss.

Erst 2009 hat die Stadt ihre Beteiligung an der Bank aufgestockt

So stark wie jetzt ist die Stadt erst seit dem 9. März 2009 beteiligt. Damals hatten CDU, FDP, Freie Wähler und OB Schuster beschlossen, sich an einer Erhöhung des LBBW-Stammkapitals von damals 1,4 auf 6,4  Milliarden Euro zu beteiligen. Der städtische Anteil belief sich bis dahin nur auf 946,6 Millionen Euro, der Anteil der Stadt am harten Kernkapital hatte lediglich 268,8 Millionen Euro betragen. Geld erhält die Stadt aber dennoch, und zwar für ihre Beteiligung am Rettungsschirm für „toxische Papiere“ der LBBW im Umfang von 12,7 Milliarden Euro. Dafür streicht sie eine Gebühr zwischen 70 und 90 Millionen Euro ein. Insgesamt erhielt sie für ihre Bürgschaft bisher 184 Millionen Euro.

Der Finanzbürgermeister hatte vor wenigen Wochen Unruhe bei den umwandlungswilligen Trägern ausgelöst, indem er betonte, ein Gutachten zur Bewertung der Bank in Auftrag gegeben und das Regierungspräsidium um Prüfung von Rechtsfragen gebeten zu haben. Die Verwaltung sei „ergebnisoffen“, hieß es damals. Gründe für eine Beteiligung an der Umwandlung könnten sein, dass die Bankenaufsicht eine Teilnahme aller Träger vorschreiben und die Stellung der Stadt zudem durch ihr Mitwirken gestärkt werden könnte, so Föll.

CDU fordert besseres Mitspracherecht bei dem Institut

Damals äußerte sich der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Alexander Kotz, vorsichtig. Seine Partei habe sich noch nicht entschieden, er sehe aber keinen Nachteil in der Umwandlung. Künftig werde in guten Jahren eine Dividende auf das höhere Kernkapital ausgeschüttet, in schlechten Jahren falle das Ergebnis immer noch besser aus als heute, da die Verzinsung der stillen Einlagen wegfalle. Er fordert ein „besseres Mitspracherecht“ der Stadt.

Das soll jetzt gegeben sein. Im Gegenzug zur Umwandlung soll nach StZ-Informationen in der zum Januar 2013 zu gründenden LBBW Aktiengesellschaft ein Minderheitenschutz eingerichtet werden. Die Sperrminorität soll bei zehn Prozent der Stimmrechte liegen, die Stadt verfügt über fast 19 Prozent der Anteile.

SPD: Rechtsansprüche helfen auch nicht immer weiter

Roswitha Blind (SPD) hält es für ein „schlechtes Signal an die Märkte“, würde sich die Stadt als Trägerin der Umwandlung verweigern. Dies wäre ein Misstrauensvotum. Sie sehe die Umwandlung „gelassen“ und verweist darauf, „dass Rechtsansprüche nicht immer weiterhelfen“. Die Nachzahlungspflicht bei den stillen Einlagen sei zwar vertraglich geregelt, aber das helfe nicht, wenn die Bank keinen Gewinn mache. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Silvia Fischer, sagte, eine Umwandlung der stillen Einlagen in Kernkapital scheint unumgänglich zu sein, da die Interessen der Stadt gewahrt werden müssten. Die Grünen erwarteten aber „angemessene Zinsnachzahlungen und eine angemessene Verzinsung des Kapitals“. Die Chancen dafür stünden gut, die LBBW habe sich auf ihr Kerngeschäft konzentriert.

Der SÖS-Fraktionschef Hannes Rockenbauch hatte im OB-Wahlkampf angekündigt, für ein Ende der städtischen Beteiligung eintreten und stattdessen eine Stuttgarter Stadtsparkasse gründen zu wollen.