Vom Vorwurf der schweren Untreue ist im LBBW-Immobilien-Prozess nicht viel übrig: Das Landgericht hat das Verfahren gegen einen ehemaligen Geschäftsführer wegen geringer Schuld eingestellt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Prozess um mögliche Untreue bei der Immobilientochter der Landesbank Baden-Württemberg ist ohne Urteil zu Ende gegangen. Das Landgericht Stuttgart hat das Verfahren gegen einen früheren Geschäftsführer der LBBW Immobilien am Dienstag wegen geringer Schuld eingestellt.

 

Der einst für die Projektentwicklung zuständige Ex-Manager Ralf N. muss eine Geldauflage von 15 000 Euro zahlen. Einem entsprechenden Vorschlag der 20. Großen Wirtschaftsstrafkammer haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft zugestimmt. Auf die gleiche Weise war das Verfahren gegen einen mitangeklagten Projektleiter eingestellt worden; er musste 8000 Euro zahlen.

Der Vorsitzende Richter begründete den Vorschlag zur Einstellung mit dem Ergebnis der seit September laufenden Beweisaufnahme. Ursprünglich hatte die Anklage beiden Beschuldigten schwere Untreue im Zusammenhang mit einem Immobilienprojekt im rumänischen Cluj (Klausenburg) vorgeworfen. Durch Pflichtverstöße bei Planung und Realisierung einer Wohnanlage mit 1300 Einheiten hätten sie die LBBW um mehr als 20 Millionen Euro geschädigt. Infolge der Finanzkrise war das Projekt später aufgegeben worden.

Ein Gutachten relativiert die Vorwürfe

„Erhebliche Zweifel“ an der Anklage

Das Gericht sieht die Vorwürfe nun in mehrerlei Hinsicht als relativiert an. Dabei stützte es sich besonders auf die Aussagen eines Gutachters, der die Angaben der Angeklagten zum rumänischen Immobilienmarkt im Wesentlichen bestätigt hatte. Es gebe „erhebliche Zweifel“, ob das Vorhaben wirklich – wie in der Anklage behauptet – auf einer unzureichenden Informations- und Kalkulationsgrundlage geplant worden sei, sagte der Vorsitzende; vielmehr seien die Annahmen für Baukosten und Erlöse „marktüblich und realistisch“ gewesen. Zudem hätten interne Kontrollmechanismen bei der LBBW nicht gegriffen.

Auch die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Grundstückskauf seien zumindest teilweise entkräftet: das Planungsrecht sei gesichert gewesen, die Rückstellungen für mögliche Altlasten hätten mit 500 000 Euro die tatsächlichen Kosten von 87 000 Euro weit überschritten. Unterm Strich sei der Schaden „deutlich geringer“ als die in der Anklage genannten 21 Millionen Euro, so das Gericht. Der Gutachter hatte den Wert des für 18,5 Millionen Euro gekauften Grundstücks auf gut 17 Millionen Euro geschätzt. Ein von der LBBW in Auftrag gegebenes Gutachten war nur auf zwölf Millionen Euro gekommen.

Geringe Schuld treffe den Angeklagten auch deshalb, weil die Probleme durch die Weltfinanzkrise ausgelöst worden seien; bis dahin habe in Rumänien Goldgräberstimmung geherrscht. Für den Ex-Geschäftsführer spreche zudem, dass er „keine unmittelbaren finanziellen Vorteile“ genossen habe, sondern vielmehr „erhebliche berufliche Konsequenzen“ in Kauf nehmen musste. Der einst als Branchenstar geltende Manager, den Ex-LBBW-Chef Siegfried Jaschinski für den Ausbau des Bereichs Projektentwicklung verpflichtet hatte, ist heute freiberuflich tätig.

Die Staatsanwaltschaft hält bis zuletzt dagegen

Ralf N. stimmte der Einstellung gegen Geldauflage zu, weil er das Verfahren „nach fünf Jahren und vier Monaten jetzt zum Abschluss bringen“ wolle; es sei für ihn und seine Familie sehr belastend gewesen. Sein Verteidiger betonte, dies geschehe alleine „aus prozessökonomischen Gründen“. Es gelte weiter die Unschuldsvermutung. Der Anwalt machte deutlich, dass er fest mit einem Freispruch gerechnet hätte. Daher hätte er es lieber gesehen, wenn sein Mandant der Einstellung nicht zugestimmt hätte.

Dagegen sagte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, er hätte eine Verurteilung weiterhin für wahrscheinlich gehalten. Schließlich lägen eine Pflichtverletzung, ein Schaden und Vorsatz vor. Man stimme der Einstellung zu mit Blick auf die Erkenntnisse des Gutachters, die Situation infolge der Finanzmarktkrise und das „Versagen“ von Kontrollmechanismen; allerdings hätte die Anklagebehörde eine Geldauflage von 20 000 Euro erwartet.

Die LBBW will weiter Schadenersatz

Der Ausgang des Strafverfahrens dürfte Einfluss auch auf das Zivilverfahren haben, das die LBBW gegen Ex-Manager der Immobilientochter angestrengt hat. Sie verlangt von den drei früheren Geschäftsführern – darunter auch Ralf N. – 120 Millionen Euro Schadenersatz. Hintergrund sind das Projekt in Rumänien sowie mehrere andere Bauvorhaben. Die ursprünglich für dieses Jahr angekündigte Entscheidung der 9. Zivilkammer des Landgerichts verzögert sich. Nachdem das Gericht einen Vergleichsvorschlag unterbreitet hat, ist im Februar der nächste Termin angesetzt; dabei dürfte es um eine Widerklage der Ex-Geschäftsführer gehen, mit der diese die Bank zur Vorlage bestimmter Dokumente zwingen wollen.