Die württembergische Königin Katharina aus dem Hause Romanow wollte vor allem den Armen helfen. Doch sie legte auch den Grundstein für die LBBW. Der Weg zur größten Landesbank in Deutschland war mitunter holprig.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Wir brauchen kürzere Entscheidungswege“, fordert Rainer Neske. Und wenn der Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Landesbank so etwas sagt, kommt auch der Digitalisierung dabei eine entscheidende Rolle zu. Mehr noch: Digitalisierung soll nach dem Willen von Neske „Chefsache“ sein. 200 Jahre nach der Gründung des ersten Vorläuferinstituts der heutigen Landesbank muss sich diese dem immer schnelleren Tempo, das die globale Wirtschaft vorlegt, anpassen. Die LBBW sieht sich dabei vor allem für die Großkunden zuständig, für das Kapitalmarktgeschäft und für vieles, was sich hinter den Kulissen abspielt – für das Backoffice, wie es im Fachjargon heißt. Hier verläuft auch die Trennlinie zur 2005 übernommenen Baden-Württembergischen Bank (BW-Bank): Diese kümmert sich um Privatkunden, Freiberufler, Handwerker und größere Mittelständler.

 

Teufel hat mit der Fusion mehr Glück als Späth

Mit dem Zusammenschluss zur LBBW sollte auch Baden-Württemberg eine starke Bank bekommen. „Lothar Späth, der damalige Ministerpräsident, wollte, dass Baden-Württemberg international Flagge zeigt“, erinnert sich Walther Zügel, der frühere Vorstandsvorsitzende der Landesgirokasse. Doch auch weil diese nicht mitspielte, scheiterte Späth in den 80er Jahren mit seinen Plänen. Sein Nachfolger Erwin Teufel hatte später mehr Glück. An der Spitze der Landesgirokasse stand jetzt Thomas Fischer, der von der Deutschen Bank kam: „Die Deutschbanker waren immer für Größe“ sagt Zügel, „und Fischer konnte auch die Gremien der Landesgirokasse überzeugen.“ Teufel war die politisch treibende Kraft bei der Gründung der LBBW. Zum 1. Januar 1999 konnte er Erfolg melden: Die Landesgirokasse, die SüdwestLB und die Marktgeschäfte der heutigen Förderbank L-Bank schlossen sich zusammen zur Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Die Fusion jedoch hatte ihren Preis, und dieser hieß Rotationsprinzip: Jeder der Chefs der bis dahin selbstständigen Banken sollte nur zwei Jahre an der Spitze des neuen Instituts stehen. Der Zusammenschluss trug durchaus Früchte: Die LBBW ist heute Deutschlands größte Landesbank. Doch auch diese muss sparen: So wurde die Zahl der Mitarbeiter im vergangenen Jahr um etwas mehr als 500 auf 10 300 Beschäftigte verringert. Insgesamt, so der Vorstand, sollen 1200 Stellen gestrichen werden.

Die Finanzkrise hinterlässt ihre Spuren

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 und 2009 mussten die Eigentümer – das Land, die baden-württembergischen Sparkassen und die Stadt Stuttgart – ihrem Institut noch mit fünf Milliarden Euro unter die Arme greifen. Der damalige Chef Siegfried Jaschinski musste gehen. Die Umstände seiner Ablösung waren krimireif. Zunächst sprach ihm der Ministerpräsident noch sein Vertrauen aus – doch Günther Oettinger musste sich dem kleineren Koalitionspartner FDP beugen, der Jaschinski loswerden wollte. Noch während der Aufsichtsratssitzung, in der es um die Zukunft Jaschinskis ging, zauberte Oettinger dessen Nachfolger aus dem Hut: den erfahrenen Sanierer Hans-Jörg Vetter, den Vorgänger von Neske. Jaschinski galt vielen als Überflieger, der nicht die Sprache des südwestdeutschen Mittelstands sprach, sondern sich lieber in der weiten Welt umsah. Doch mit komplexen Geldanlagen verzockte sich die LBBW.

Das erste Vorläuferinstitut war eine Reaktion auf ein Hungerjahr

Das war eine dramatische Zeit für die LBBW, keineswegs aber eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung im Südwesten. Anders sah es dagegen in der Zeit der Gründung der Vorgängerinstitute aus. Im Jahr 1815 brach in Indonesien der Vulkan Tambora aus, schleuderte Staub und Schwefelverbindungen in die Luft. Ein Jahr später kam die Wolke in Europa an und behinderte die Einstrahlung der Sonne. Die Zeitgenossen sprachen vom „Jahr ohne Sommer“. Als Folge der schlechten Ernte stiegen 1817 die Getreidepreise rasant an, Hunger machte sich breit. Der württembergische König Wilhelm I. begann, die Landwirtschaft zu fördern, seine Frau, Königin Katharina aus dem russischen Zarengeschlecht der Romanows, gründete 1818 die „Württembergische Spar-Casse“, ein „Institut zum Besten der ärmeren Volksklasse“. Im Regierungsblatt vom 12. Mai 1888 hieß es dazu: „Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass selbst der sparsame Arme nicht in bessere Umstände kommt, weil er es nicht versteht, seine Ersparnisse klug und nützlich zu verwalten.“ Die Mindesteinlage betrug einen Gulden, mehr als 100 Gulden durfte niemand einzahlen. Wer mehr anlegen wollte, wurde an die Konkurrenz verwiesen. Einen Aufschwung erlebten die Geldhäuser durch die industrielle Revolution, im Jahr 1885 wurde der Württembergische Sparkassenverband gegründet. Schon vor diesem Zusammenschluss war in Stuttgart die städtische Sparkasse gegründet worden. Diese gehörte mit der Einführung ihres ersten „Bankomaten“ bundesweit zu den Vorreitern bei der Automatisierung – einem Vorläufer der Digitalisierung.