Die künftige Eigentümerin der LBBW-Wohnungen will die Wogen glätten und betont inständig, die Sozialcharta einhalten zu wollen.

Stuttgart - Auch einen Tag nach der Entscheidung der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), ihre 21 000 Wohnungen an eine Investorengruppe unter der Führung der börsennotierten Augsburger Patrizia AG zu verkaufen, schlagen die Wogen im Land hoch. „Der kleine Mann büßt dafür, dass die LBBW durch ihre spekulativen Finanztransaktionen in den vergangenen Jahren gezwungen war, ihren Wohnungsbestand zu verkaufen“, kritisiert etwa Roland Sing, der Vorsitzende des Sozialverbandes VdK Baden-Württemberg. Das könne von der grün-roten Landesregierung eigentlich nicht gewollt sein. Zumal diese im Koalitionsvertrag festgehalten hatte, dass der Käufer eines der größten Wohnungspakete im Südwesten Erfahrung auf dem baden-württembergischen Markt haben sollte.

 

Die Entscheidung ist kontrovers diskutiert worden

Sing ist jedoch nicht unparteiisch, weil das Wohnungsunternehmen des VdK, die GSW Sigmaringen, an dem der Patrizia knapp unterlegenen Baden-Württemberg-Konsortium beteiligt ist. Doch er steht mit seinen Bedenken nicht allein. Auch die SPD-Politiker Nils Schmid und Claus Schmiedel sowie der Grünen-Staatssekretär Klaus-Peter Murawski hätten ebenso wie die Belegschafts- und viele Sparkassenvertreter im Aufsichtsrat große Sympathien für die Bietergruppe um die Stuttgarter GWG und die Landeshauptstadt gehabt, sagen Eingeweihte. Das Thema sei in der gut dreistündigen Sitzung am Montag Abend sehr kontrovers diskutiert worden. Letztlich, so rechtfertigt Fraktionschef Schmiedel die Entscheidung, habe es keinen Spielraum gegeben, weil Patrizia den höheren Preis geboten habe und das Verkaufsprozedere von der Europäischen Union in Brüssel bestimmt worden sei.

Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) unterstützt diese Linie: Die Sozialverpflichtungen der beiden verbliebenen Bieter hätten nahe beieinander gelegen. „Insofern ist die Entscheidung des Aufsichtsrats vertretbar.“ Der SPD-Finanzminister Nils Schmid widerspricht dem Eindruck, bei der Abwägung der beiden Kaufinteressenten sei es auf der einen Seite um ein städtisches Wohnungsunternehmen und um eine Heuschrecke auf der anderen Seite gegangen.

Die LBBW hat einen stolzen Preis erzielt

Die LBBW kann jedenfalls betriebswirtschaftlich betrachtet zufrieden sein mit dem Ergebnis. Durch ein mehrstufiges Verfahren, bei dem die Bieter mehrfach Gebote abgegeben haben, hat sie den stolzen Preis von 1,435 Milliarden Euro erzielt. Da der Wohnungsbestand in der Bilanz aber mit knapp 1,4 Milliarden vergleichsweise hoch angesetzt war, bleibt der Bank angeblich nur ein außerordentlicher Gewinn von 60 Millionen Euro.

Die Sozialcharta gilt fünf Jahre

Patrizia-Vorstandsmitglied Klaus Schmitt sprach bei einem Pressegespräch von einem fairen Preis. Er und der Patrizia-Chef und Mehrheitsaktionär Wolfgang Egger bemühten sich, den Eindruck zu widerlegen, dem Immobilienverwalter und -vermarkter ginge es bei der Übernahme der LBBW-Wohnungen um eine möglichst hohe Rendite. „Wir wollen keine goldenen Wasserhähne“, versicherte Egger. Man habe bewusst langfristig orientierte institutionelle Investoren, darunter die LVM Versicherung in Münster und VPV Lebensversicherung in Stuttgart sowie den schwedischen Staatspensionsfonds AP3 mit ins Boot geholt. Diese seien an dauerhaften Ausschüttungen interessiert. Vier bis 4,5 Prozent Rendite seien realistisch. Auf deutsche Versicherer entfielen 40 Prozent des Eigenkapitals.

Die Sozialcharta gilt fünf Jahre

Patrizia selbst hat an dem Konsortium lediglich einen Anteil von zwei Prozent. Die Augsburger bringen insgesamt 15 Millionen Euro Eigenkapital ein. Mehrere Investoren, darunter auch eine Sparkasse aus Baden-Württemberg, wollten nicht öffentlich genannt werden, erklärte Egger. Man arbeite aber mit allen Partnern schon seit längerer Zeit zusammen.

Eggers Kollege Schmitt erklärte, Patrizia wolle den Bestand von 21 000 Wohnungen erhalten. Ver- und Zukäufe von Wohnungen werde es aber – wie in der Vergangenheit auch – geben. Nach der für fünf Jahre geltenden Sozialcharta dürfen pro Jahr höchstens 950 Wohnungen veräußert werden. In den kommenden fünf bis zehn Jahren will Patrizia die Mieten im Durchschnitt um weniger als vier Prozent erhöhen und damit an die Geschäftspolitik der LBBW anknüpfen.

Ein Drittel der Wohnungen sind Sozialwohnungen

Die Charta, die bei Verletzungen Strafzahlungen vorsieht, erlaubt Mieterhöhungen von maximal drei Prozent zuzüglich der Inflationsrate. Egger betonte, dass die Mieter künftig rechtlich besser gestellt seien als vor dem Verkauf, der bis Ende März abgeschlossen sein soll. Die Sozialcharta werde aber keinesfalls ausgeweitet. Die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter lag bei der LBBW Ende 2011 bei 6,11 Euro, bei dem von Patrizia gehaltenen Wohnungen waren es knapp acht. Etwa ein Drittel des Portfolios, gut 7500 Wohnungen, sind Sozialwohnungen. Hier soll es keine Änderungen geben.

Die von der Sozialcharta vorgeschriebenen Instandhaltungsaufwendungen von 16,80 Euro pro Jahr und Quadratmeter will das Finanzkonsortium im Schnitt leicht übertreffen. Deutschlandweit üblich seien Investitionen zwischen 13 und 15 Euro. Schmitt sagte, ihm sei nicht klar, wie der Mieterbund darauf komme, dass 20 Euro ein angemessener Betrag sei. Neben den 21 000 Wohnungen übernehmen die Augsburger auch die Verwaltung von 17 000 Wohnungen, die bisher die LBBW Immobilien für Dritte erledigt hat. Alle knapp 300 Mitarbeiter sollen übernommen werden.