30 Jahre nach seiner Entdeckung gilt Aids in den westlichen Ländern nicht mehr als tödlich - doch bis heute ist kein Impfstoff in Sicht.

Stuttgart - Als vor 30 Jahren in Kalifornien fünf homosexuelle Männer an einer Lungenentzündung erkrankten, die durch eine Pilzinfektion ausgelöst wurde, nahm kaum jemand davon Notiz. Doch bald wurde klar: diese im Prinzip harmlose Infektion hätte ein intaktes Immunsystem problemlos in den Griff bekommen. Doch im Körper der Männer schlummerte ein noch unbekanntes Virus, das sich rasend schnell ausbreitete und diverse lebensbedrohliche Erkrankungen verursachte. Das Phänomen wurde erworbene Immunschwächekrankheit oder Aids genannt.

 

Nun begann ein Wettlauf mit der Zeit: Wissenschaftler suchten fieberhaft nach der Ursache. Dabei kämpften sie mit harten Bandagen. Es wurde intrigiert, vertuscht und verleumdet. Jeder wollte der Erste sein. 1983 beschrieb der Franzose Luc Montagnier in einer Fachpublikation einen Erreger, den er LAV nannte. Kurze Zeit später trat der medienwirksame amerikanische Forscher Robert Gallo mit einem vermeintlich weiteren Erreger mit dem Namen HTLV-III an die Öffentlichkeit und beanspruchte die Entdeckung der Krankheit für sich. Er präsentierte das neue Virus, das später HIV heißen sollte, in zahllosen Fernsehshows und Vorträgen - auch dann noch, als sich herausstellte, dass das Virus aus einer Probe von Luc Montagnier stammte.

2008 beendete das Nobelpreiskomitee den erbitterten Streit, indem es den Medizinnobelpreis dem Franzosen überreichte. Bis heute wird der inzwischen emeritierte Montagnier nicht müde zu mahnen, dass Aids auch viele Jahre nach der Virusentdeckung eine große Gefahr bleibe.

An der Entwicklung eines Impfstoffs wird intensiv geforscht

Denn bis heute ist kein Impfstoff in Sicht - obwohl sich Wissenschaftler nach der Entdeckung des Virus sicher waren, den Erreger schnell dingfest machen zu können. Nach wenigen Jahren sei die Erkrankung kein Thema mehr. Doch die Forscher haben nicht mit der enormen Wandlungsfähigkeit des Virus gerechnet. Es gibt inzwischen viele verschiedene HIV-Typen, die sich zudem ständig verwandeln.

Im Körper eines Patienten können sich täglich Millionen von Viren vermehren, die in ihrem Erbgut kleine Fehler tragen, sogenannte Mutationen. Manche dieser Mutationen sind für den Erreger von Vorteil: Sie entwischen dem körpereigenen Immunsystem und können sich weiterverbreiten. Ein Impfstoff, der gegen eine bestimmte Virenvariante entwickelt wurde, verpufft damit wirkungslos..

Dennoch wurde an kaum einer Impfung bisher so intensiv geforscht wie an der gegen HIV. Immer wieder gab es Hoffnung, das Virus packen zu können. Doch immer wieder entwischte der Erreger. Mehr als hundert potenzielle Stoffe wurden getestet - ohne Erfolg. So scheiterte beispielsweise eine Pharmafirma 2005, als sie einen vielversprechenden Impfstoff an 3000 Menschen testen ließ: Der Impfstoff hatte das Risiko einer Infektion nicht gesenkt, sondern im Gegenteil erhöht. Doch man gab nicht auf.

Aids ist keine tödliche Krankheit mehr

Im August dieses Jahres machen Wissenschaftler im Fachjournal "nature" erneut Hoffnung: Man habe höchst effektive Antikörper im Blut von HIV-positiven Patienten entdeckt, die weitgehend immun gegen die Erreger zu sein schienen. Antikörper erkennen im Körper des Patienten fremde Strukturen und heften sich beispielsweise an ein Virus und ebnen so den Weg für die Immunabwehr. Die nun entdeckten Antikörper sollen die Suche nach einen neuen Impfstoff vorantreiben.

In der Behandlung von Aids setzt man auf Medikamente, vor allem auf Haart. Diese Abkürzung steht für "hochaktive antiretrovirale Therapie". Diese Kombinationstherapie, die gegen Ende der neunziger Jahre eingeführt und seitdem immer verbessert wurde, besteht aus verschieden miteinander kombinierten Mitteln. Damit kann man die Viren im Blut bis unter die Nachweisgrenze drücken - allerdings oft mit sehr schweren Nebenwirkungen.

Doch durch diese Kombinationstherapie bedeutet die Diagnose Aids heute - zumindest in den westlichen Ländern - kein Todesurteil mehr. Wissenschaftler haben sich daher 2008 im medizinischen Fachblatt "Lancet" dazu entschieden, dass die HIV-Infektion durch die medizinischen Fortschritte den Status einer einer tödlichen Krankheit verloren habe und nun als langfristige chronische Erkrankung gewertet werden müsse.

Die meisten Erkrankten leben im südlichen Afrika

Tatsächlich zeitigt der weltweite Kampf gegen das Virus Wirkung: Immer weniger Menschen stecken sich mit dem gefürchteten Erreger an. Von 1997 bis 2010 sei die Zahl der Infektionen um gut ein Fünftel (21 Prozent) auf 2,67 Millionen weltweit gefallen, heißt es im aktuellen Bericht des HIV/AIDS-Programms der Vereinten Nationen (Unaids), der vergangene Woche präsentiert wurde. Die Gesamtzahl der Ende 2010 Infizierten und Erkrankten schätzte Unaids auf 34 Millionen.

Rund 68 Prozent von ihnen leben in Afrika südlich der Sahara - einer Region, in der nur zwölf Prozent der Weltbevölkerung leben. Auf das Gebiet entfallen auch 70 Prozent der Neuinfektionen. In Südafrika leben mit geschätzt 5,6 Millionen mehr HIV-Infizierte als in jedem anderen Land der Welt. Zumindest die Zahl der Neuinfektionen sinke dort aber inzwischen - ebenso wie in Äthiopien, Nigeria, Sambia und Simbabwe.

In Deutschland haben sich im laufenden Jahr 2700 Menschen mit HIV infiziert. Das ist etwa ein Zehntel weniger als noch im vergangenen Jahr, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit. Besiegt ist das Virus damit aber noch lange nicht, da sind sich die Experten weltweit einig. Die Suche nach einen Impfstoff geht weiter.

Entdeckung In den USA sterben 1981 immer mehr junge Männer an einer Krankheit, die das Immunsystem ausschaltet. Im Juni thematisiert die US-Gesundheitsbehörde die auffällige Zunahme einer seltenen Krebsform und einer ungewöhnlichen Form von Lungenentzündungen bei jungen Homosexuellen.

Diagnose 1982 wird die Immunschwächekrankheit Aids - Acquired Immune Deficiency Syndrome - genannt. Auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern werden die ersten Fälle diagnostiziert.

Medikament Das erste Aids-Medikament (AZT) wird 1987 zugelassen. Es kann den Verlauf der Krankheit verlangsamen.