Der junge Syrer Seif Arsalan ist gerade mal 20 Jahre alt, hat aber schon ein Buch veröffentlicht, das nun als Schullektüre eingesetzt wird. Er und fünf andere Menschen erzählen am 3. März in Schorndorf ihre (Flucht-) Geschichten.

Rems-Murr: Anette Clauß (anc)

Schorndorf - Flüchtling. „Ich hasse dieses Wort, ich empfinde es als Schimpfwort“, sagt der junge Mann: „Ich würde lieber hören: Das ist Seif und er kommt aus Syrien.“ Im Dezember 2015 ist Seif Arsalan, der aus der Nähe von Damaskus stammt, nach einer gefährlichen Reise über das Mittelmeer und den Balkan in Deutschland angekommen. Über seine Fluchtgründe will der 20-Jährige nicht viel sagen. Die Furcht, zum Militär eingezogen zu werden, habe aber mit eine Rolle gespielt, erzählt der junge Mann in bestem Deutsch.

 

Angst ist auch der Grund, wieso er seinen echten Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Unter dem Pseudonym Seif Arsalan tritt er daher auch bei der Veranstaltung „Lebende Bücher“ auf: im Schorndorfer Zentrum für internationale Begegnungen (ZIB) erzählen dabei am 3. März sechs Menschen ihre (Flucht-) Geschichte.

Warum nicht selbst schreiben?

Seif Arsalan hat seine Erfahrungen sogar schon zu Papier gebracht und veröffentlicht: Vor knapp zehn Tagen ist sein autobiografisches Buch „Aus Syrien geflüchtet“ im Verlag an der Ruhr erschienen. Der Schulbuchverlag hat eine spezielle Reihe mit Romanen, die von Jugendlichen für Jugendliche geschrieben sind – in verständlicher, klarer Sprache. Wie er zum Autor geworden ist? „Meine Deutschlehrerin hat mir empfohlen, einen einfach geschriebenen Roman zu lesen“, erzählt Seif Arsalan, der die Grafenbergschule in Schorndorf besucht. Das tat er. „Ich war sehr stolz, als ich mein erstes Buch auf Deutsch gelesen hatte“, erinnert sich der junge Syrer, dann habe er gedacht: „Du hast auch einiges erlebt und könntest davon berichten.“

Seif Arsalan recherchierte, entdeckte die Internetseite des Verlags und eine Ansprechpartnerin. „Annette Weber hat mir geantwortet, dass es schwierig ist, ein Buch zu schreiben. Sie hat vorgeschlagen, dass ich erst einmal ein Kapitel schreibe und an sie schicke“, erzählt Seif Arsalan, dessen Deutschkenntnisse vor einem Jahr längst noch nicht so gut waren wie heute.

Wunschtraum Mechatronikstudium

Ein Glück, dass er Frauke Wolff kennt, die er inzwischen „meine Ersatzgroßmutter“ nennt. Zum ersten Mal getroffen hätten sie sich zufällig, erzählt die Winterbacherin, die ehrenamtlich Fahrdienste für Geflüchtete übernimmt: „Er war sehr höflich. Als wir uns später wieder begegnet sind, hat er mich angesprochen, ob ich mit ihm Deutsch üben würde.“ Letztlich hat Frauke Wolff fleißig mitgearbeitet am Buch von Seif Arsalan. Er sagt: „Mit meiner Ersatzoma habe ich an jedem Satz gefeilt und viele Sprichwörter, tolle Ausdrücke und Redensarten gelernt.“ Zunächst schickte er ein erstes Kapitel an den Verlag, der tatsächlich zugriff. „Im Mai habe ich meinen Vertrag bekommen.“ Im November war der Abgabetermin, er musste sich also ranhalten.

In 18 Kapiteln schreibt Seif Arsalan über seine Familie, über sich, seine Flucht und seine Anfangszeit in Deutschland. „Niemand verlässt gerne sein Land und lässt sein ganzes bisheriges Leben zurück“, sagt Seif Arsalan: „Man fühlt sich entwurzelt.“ Er hofft, dass viele Menschen sein Buch lesen, mit dem er, so sein Wunsch, Verständnis wecken und „das vorbelastete Bild über Flüchtlinge korrigieren“ will. „Durch das Schreiben habe ich Deutsch gelernt“, sagt der junge Syrer, der davon träumt, Mechatronik zu studieren. Derzeit besucht er eine Eingangsklasse, um in zwei Jahren das deutsche Abitur abzulegen – sein syrischer Schulabschluss wird hier nicht anerkannt.

Irgendwann wolle er zurück nach Syrien und sein Heimatland wieder aufbauen, sagt Seif Arsalan und wiederholt, dass er es hasst, als Flüchtling bezeichnet zu werden. Warum, fragt er, nennt man uns nicht einfach neue Mitbürger?

Das Projekt „Stadt.Land.Welt“

Austausch: Sechs Menschen aus verschiedenen Generationen, alle mit Fluchterfahrung, werden zu „Lebenden Büchern“ bei einer Veranstaltung am Samstag, 3. März. Von 18 Uhr an erzählen Seif Arsalan aus Syrien, Karl-Heinz Utess aus der ehemaligen DDR, Hala Elamin aus Südsudan, Gottfried Till aus Böhmen, Sergio Vesely aus Chile und Thi Tam Nguyen aus Vietnam in jeweils etwa 20 Minuten und in kleiner Gesprächsrunde ihre (Flucht-)Geschichte. Danach wird durchgewechselt.

Termin: Veranstaltungsort ist das ZIB in der Schlachthausstraße 5 in Schorndorf. Der Gitarrist und Sänger Sergio Vesely sorgt für Musik. Der Eintritt ist frei. Veranstalter des Abends sind Schorndorfer Initiativen, die Volkshochschule, das Forum der Kulturen Stuttgart, Engagement Global und die Stadt Schorndorf.

Buch: Seif Arsalans autobiografisches Buch „Aus Syrien geflüchtet“ ist im Verlag an der Ruhr in der Reihe K.L.A.R. reality erschienen und als Schullektüre geeignet. Es kostet 6,50 Euro und hat die ISBN 978-3834638052.