Der Konservative Gerhard Mayer-Vorfelder hat ein Erinnerungsbuch vorgelegt. Sein Freund, der Ex-Ministerpräsident Günther Oettinger hat es vor 300 Gästen präsentiert.

Stuttgart - Schon der Buchtitel ist ein Fanfarenstoß: „Ein stürmisches Leben“ hat Gerhard Mayer-Vorfelder seine Erinnerungen überschrieben. Entstanden ist das 200 Seiten starke Werk in zahlreichen Gesprächen mit dem Journalisten Rainer Laubig, der alles, was ihm „MV“ erzählte, getreulich notierte und in eine Form brachte, die den Sprach- und Gedankenduktus des politischen Haudegens und Sportfunktionärs stets kenntlich lässt. Das Buch zeigt Mayer-Vorfelder, wie er ist; und mehr noch, wie er gesehen werden möchte. Nicht immer deckt sich das eine mit dem anderen.

 

Jetzt hat Gerhard Mayer-Vorfelder sein Buch der Öffentlichkeit präsentiert – mit Günther Oettinger, dem Freund, EU-Kommissar und Ex-Ministerpräsidenten als kundigem Cicerone durch das Lebenslabyrinth des einstigen Staatssekretärs, Kultusministers, Finanzministers, VfB-Präsidenten und DFB-Gewaltigen.

So einen wie Mayer-Vorfelder, sagte Oettinger vor 300 Gästen, gebe es in der Politik nicht mehr. „Gleichgültig lässt er keinen, entweder man mag ihn, oder man mag ich nicht.“ Allenfalls Franz-Josef Strauß sei ihm in der Kunst des Polarisierens vergleichbar. „Mayer-Vorfelder spaltet Baden-Württemberg“, sagte Oettinger.

Talentiert in der Rolle des Polarisierers

In der Rolle des Polarisierers fühlte sich Mayer-Vorfelder tatsächlich wohl. Sie machte ihn angreifbar, aber auch erkennbar im Meinungskampf. Eine Wahlkampagne, besser: Nichtwahlkampagne, wie sie die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Wahl 2009 führte, besser: nicht führte, ist für Mayer-Vorfelder ein Offenbarungseid, auch wenn er das öffentlich nicht so deutlich sagt. Die Abdankung der Politik. Als rechter Flügelmann der CDU stemmte sich „MV“, zumal als Kultusminister von 1980 bis 1991, dem links verorteten Zeitgeist entgegen. Auf der Regierungsbank im Stuttgarter Landtag sitzen neuerdings einige, die sich ganz gut an jene Jahre erinnern. In seinem Buch berichtet Mayer-Vorfelder über seine Zeit in der Bildungspolitik, es habe damals keine CDU-Veranstaltung gegeben, bei der nicht eine Delegation der Lehrergewerkschaft GEW für „Stimmung und Getöse“ gesorgt habe. „Du wusstest, der Angriff kommt, und du wusstest, du musst dagegenhalten. Also hast du dagegengehalten.“ Für seine Partei aber war Mayer-Vorfelder eine Glücksgabe. Er sprach Wähler am rechten Rand des demokratischen Spektrums an. Nicht nur, aber auch. Er sprach sie an, aber er band sie auch. Es waren andere Zeiten.

Bei der Buchvorstellung sagte der bald 80-Jährige ein paar Wahrheiten, die immer noch gelten, allerdings in der Regel nicht mehr offen ausgesprochen werden, sondern subtil und hinter vorgezogenen Vorhängen ausgelebt werden. Politik, sagte Mayer-Vorfelder, bedeute Auseinandersetzung, nicht Friede, Freude, Eierkuchen. Politik sei Kampf um die Macht. „Demokratie heißt, dass unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, ansonsten ist es keine Demokratie.“ Und noch eine andere Passage aus seiner Rede wäre eines Eintrags ins Gemeinschaftskundebuch würdig. Das war der Vergleich zwischen Politik und Sport. In der Politik, sagte Mayer-Vorfelder, werde gefeilscht, gerungen und der Kompromiss gesucht. Ein langer, mühevoller Prozess. Da gebe es die Vorlage für den Parteitag, die Vorlage für den Koalitionsausschuss, die Vorlage fürs Vorkabinett und fürs Kabinett und die Vorlage für die Fraktion. Die üblichen, aber unabweisbaren Abläufe der Politik.

Stürmisches Leben auf solider Basis

Im Sport gelten andere Regeln. „Da gibt es keine stundenlangen Diskussionen.“ In der Welt des Sports sitzt der Präsident des VfB Stuttgart am Schreibtisch, „und man tätigt halt die Fehleinkäufe auf dem Spielermarkt“. Dafür ist am Ende aber auch klar, wer die Verantwortung trägt. Mayer-Vorfelder bilanziert ein stürmisches Leben, das er auf der soliden Basis der Besoldungsordnung im Landesdienst meisterte. In der Politik, sagt er, gibt es heute zu wenig Leute mit Leidenschaft. Er meint damit Leute wie Gerhard Mayer-Vorfelder.

Gerhard Mayer-Vorfelder: Ein stürmisches Leben. Erinnerungen. Hohenheim Verlag. 19,90 Euro.