Eine neue Berechnung prophezeit den Deutschen ein immer längeres Leben. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.

Stuttgart - Roland Bernhard, seit 2008 Landrat vom Landkreis Böblingen und damit Repräsentant von mehr als 370.000 Einwohnern in 26 Städten und Gemeinden, lebt gern in seinem Landkreis. „Der Landkreis Böblingen ist einfach ein Wohlfühlkreis,“ wirbt der 59-Jährige für seine Heimat.

 

Die Zahlen scheinen dem Verwaltungschef Recht zu geben. Eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Berechnung zur Lebenserwartung der Deutschen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung zeigt große regionale Unterschiede.

Demnach leben die im bayrischen Starnberg wohnenden Männer mit 81,3 Jahren am längsten. Gefolgt von München und dem Hochtaunuskreis mit einer berechneten Lebenserwartung von 80,9 Jahren. Auf dem dritten Platz folgt - sehr zur Freude von Landrat Bernhard - der Landkreis Böblingen, in dem die Männer rechnerisch 80,8 Jahre alt werden.

Hohe Lebensqualität im Landkreis Böblingen

Für den Landrat hängt der bundesweite Topwert von verschiedenen Faktoren ab. „Sichere und hochqualifizierte Arbeitsplätze sind wichtig. Aber auch die hohe Lebensqualität mit einem Freizeit- und Kulturangebot, das viel bietet. Die Nähe zur Natur und eine bewusste Ernährungs- und Lebensweise tragen dazu bei. Und die medizinische Versorgung ist auf Spitzenniveau“, erklärt Bernhard das Ergebnis der Veröffentlichung.

Antonia Milbert, die an der Veröffentlichung beteiligt war und beim Referat „Stadt-, Umwelt- und Raumbeobachtung“ des Instituts arbeitet, pflichtet dem Landrat bei. Neben einem funktionierenden Gesundheitssystem, bewusster Ernährung und einem verträglichen Lebensstil spielten auch sozio-demografische Faktoren wie Bildung und Einkommen eine entscheidende Rolle.

Niedrige Lebenserwartung in Pirmasens

Den hohen Einfluss dieser Rahmenbedingungen auf die Lebenserwartung der Menschen legt auch das Ergebnis der Berechnung nahe. Im Vergleich zu den vorherigen Untersuchungen werde der Ost-West-Unterschied immer geringer, heißt es auf der Homepage des Instituts.

Pirmasens Einwohner sterben am frühesten

In der Tat liegt die Lebenserwartung im rheinland-pfälzischen Pirmasens am niedrigsten. Männer sterben dort im Durchschnitt nach 73, Frauen nach 77,1 Jahren. Auf den Plätzen zwei und drei finden sich bei den Männern das fränkische Hof mit einer berechneten Lebenserwartung von 73,5 Jahren, dicht gefolgt von Emden in Ostfriesland mit 73,6 Jahren. Auch bei den Frauen folgen Emden mit einer Lebenserwartung von 79,4 und Eisenach mit 79,5 Jahren auf den weiteren Plätzen.

Betrachtet man die Topwerte bei den Frauen, fällt ebenfalls ein Nord-Süd-Gefälle auf. Hierbei liegen die Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald mit einer prognostizierten Lebenserwartung von 85 und der Landkreis Tübingen mit 84,7 Jahren an der Spitze. Der Landkreis Böblingen schneidet mit einer Lebenserwartung von 84,3 auch hier sehr gut ab.

Landrat Bernhard kommt zu dem Fazit: „Es lebt sich rundum gut im Landkreis Böblingen. Dazu trägt auch die gute Luft bei, die aus dem Schwarzwald in den Kreis Böblingen weht.“ Neben der Luftqualität geben auch die harten Zahlen Auskunft über die Lebensqualität in den Landkreisen.

Reiche Böblinger, arme Pirmasenser

Beim Vergleich des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer, das sich aus den Bruttolöhnen und -gehältern sowie den Sozialbeiträgen der Arbeitgeber zusammensetzt, kann ein Beziehung zwischen dessen Höhe und der berechneten Lebenserwartung festgestellt werden.

Betrug der Wert beim Schlusslicht Pirmasens 2013 nur 33.434 Euro, steht der Landkreis Böblingen im selben Bezugszeitraum mit einem Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer in Höhe von 49.019 Euro an der Spitze der baden-württembergischen Stadt- und Landkreise.

Im Vergleich dazu lag das Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer im Stadtkreis Pforzheim 2013 bei nur 37.475 Euro und damit sogar noch unter dem Bundesschnitt, der 2013 37.718 Euro betrug. Die dort lebenden Männern sterben laut der Veröffentlichung des Bundesamts 3,4 Jahre früher als die männliche Bevölkerung im Landkreis Böblingen.

Weiterhin viele Unklarheiten

Ein direkter Zusammenhang zwischen Arbeitnehmerentgelt und Lebenserwartung lässt sich in Folge der Untersuchung allerdings nicht herstellen. Dies liegt auch daran, dass die Kennzahl einzig die Arbeitnehmer betrachtet. Zu denen zählt, wer in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis steht und hauptsächlich diese Tätigkeit ausübt. Arbeitslose oder Personen, die freie Berufe ausüben, werden nicht berücksichtigt.

Gleichwohl schreibt das Institut auf seiner Homepage: „Die Lebenserwartung ist in den Regionen höher, in denen der Anteil sozial und ökonomisch schwacher Bevölkerungsgruppen gering und der Arbeitsmarkt günstig und attraktiv für hoch qualifizierte und kreative Arbeitnehmer ist.“

Trotzdem lässt auch die neue Untersuchung vieles im Unklaren. „Vielleicht können wir 40 Prozent der Gründe für eine hohe Lebenserwartung durch sozio-demografische Daten erklären,“ sagt die Herausgeberin der Berechnung. Die verbleibenden 60 Prozent seien bisher auf Grund einer schwierigen Datenlage nicht erforscht. Wer weiß, vielleicht fällt darunter auch „die gute Luft“, die Landrat Bernhard hervorhebt.