400 Menschen mit geistiger Behinderung gehen bei Kaufhof einkaufen.

S-Mitte - Eine warme Pudelmütze, Handschuhe und ein Gürtel stehen ganz oben auf Wolfgangs Wunschliste. Der Senior weiß genau, was er mit seinem Gutschein einkaufen möchte. Gemeinsam mit Adriana Visan vom Förder- und Betreuungsbereich der Lebenshilfe in Vaihingen fährt er in seinem Rollstuhl durch die Männerabteilung der Galeria Kaufhof. An einem Ständer hat Adriana Visan ein Exemplar mit Ohrenklappen entdeckt. Ganz passen will sie aber nicht, sie rutscht Wolfgang ins Gesicht. Die Suche geht weiter.

 

Die Männer sind zwei von 400 geistig behinderten Beschäftigten der Werkstätten der Lebenshilfe Stuttgart, die im Kaufhaus der Galeria Kaufhof einkaufen dürfen – noch bevor das Kaufhaus regulär öffnet. Das Nikolaus-Event, so heißt die Aktion unter den Beschäftigten, ist der große Höhepunkt des Jahres. Begleitet werden sie von den hauptamtlichen Betreuern, von ehrenamtlichen Helfern und Angehörigen. Für viele Menschen mit geistiger Behinderung ist es nicht möglich, einfach so in der Stadt zu bummeln.

Die Kooperation mit der Geschäftsführung der Filiale auf der Königstraße besteht seit 14 Jahren. Ein ehemaliges Mitglied aus dem Vorstand der Lebenshilfe hatte einst die Idee und knüpfte den Kontakt zur Kaufhoffiliale. „Die Gutscheine werden von der Stiftung Lebenshilfe zur Verfügung gestellt“, erzählt Bettina Venter, die pädagogische Leiterin der Lebenshilfe Stuttgart.

Hans will sich eine CD kaufen

Sie weiß aus ihrer Erfahrung, dass es in den Werkstätten schon Tage und Wochen vorher nur noch ein Thema unter den Beschäftigten gibt. Manche wüssten genau, was sie sich kaufen wollen, andere bräuchten Inspiration durch Kataloge. Mit dem Gutschein wolle die Lebenshilfe ihren Beschäftigten die Möglichkeit geben, sich zum Jahresende einen Wunsch zu erfüllen. „Auch unser Personal und unsere Abteilungsleiter freuen sich jedes Jahr aufs Neue auf das Event“, sagt Thomas Benedetti, der Geschäftsführer der Kaufhoffiliale. Es sei immer wieder schön zu sehen, wie die Leute einkaufen und wie sie den Tag erleben.

Eine halbe Stunde bevor das Geschäft regulär öffnet, dürfen die Werkstätten-Beschäftigten aus Vaihingen und aus der Einrichtung an der Löwentorstraße mit ihrem Einkaufsbummel loslegen. Zum einen, weil sie sich so in Ruhe zurecht finden können, zum anderen, weil es für jeden Beschäftigten eine Geschenktüte zum Nikolaustag gibt. Die werden gleich zu Beginn am Haupteingang überreicht.

Auch Hans hat sich eine Geschenktüte gesichert. Stolz präsentiert er einen Teil des Inhalts: Mandarinen und Lebkuchen. Dann nippt er an seinem Kaffee. Gemeinsam mit seinen Vaihinger Kollegen Andreas und Andreas sitzt er im Restaurant in der obersten Etage. Dort herrscht den ganzen Vormittag über reger Betrieb. Die drei Männer lassen sich ihr zweites Frühstück schmecken. „Danach will ich mir einen Kalender kaufen“, sagt Andreas, der an der als Heizer arbeitet und zum Werkstättenrat gehört. Ob er einen bestimmten Kalender im Sinn hat? „Ja, einen VfB-Stuttgart-Kalender“, sagt er. Hans will sich eine CD kaufen. Von Peter Hofmann, dem deutschen Opern- und Rocksänger. Der zweite Andreas im Bunde hat vor, seinen Einkaufsgutschein gegen zwei wärmere Flanellhemden fürs Geschäft einzutauschen.