Früher haben Schüler und Senioren im Sindelfinger Waldheim den Sommer verbracht. Doch seit es leer steht, haben Feierwütige das Gebäude als Location für geheime Partys entdeckt.

Sindelfingen - Wer auf der Straße von Sindelfingen nach Stuttgart-Vaihingen fährt, sieht am Straßenrand nach einer Weile einen großen, hölzernen Wegweiser. Es weist die Richtung zum Sindelfinger Waldheim, laut dem Schild eine Gaststätte mit Biergarten. Doch folgt man dem Wegweiser, steht man bald vor verschlossenen Türen, denn das Sindelfinger Waldheim ist seit Jahren nicht in Betrieb.

 

Genutzt wird es aber trotzdem: am Wochenende finden hier offensichtlich geheime Partys statt. „Das war eine Open-Air-Party“, berichtet ein junger Mann, der anonym bleiben möchte und im April an einer solchen Feier teilgenommen hat. „Freunde haben mir davon berichtet, schnell waren 15 Leute zusammen, und wir sind dort hin.“ Öffentlich werden die Partys nicht angekündigt. Die Besucher organisieren sich vermutlich über soziale Netzwerke. Beobachter vermuten, dass der Pächter des Awo-Waldheimes, Manfred Ulanow, die Gebäude an Feierfreudige vermietet. „Im vergangenen Jahr sind wir alarmiert worden, dass eine Party stattfindet“, berichtet der Sindelfinger Förster Markus Klas. „Die Gebäude waren offen, es war auch Strom für die Musikanlagen da.“

Partys könnten zu Waldbrand führen

Doch die Partys widersprechen dem Erbbauvertrag, den die Stadt Sindelfingen vor Jahrzehnten mit der Arbeiterwohlfahrt (Awo) als Erbauerin und Trägerin des Waldheims geschlossen hat. Darin ist festgelegt, dass die Einrichtung für „Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit“ genutzt werden sollte. „Die Awo muss eine entsprechende Nutzung sicherstellen“, sagt Nadine Izquierdo, die Sprecherin der Stadt. Dazu hat die Stadt den Verein bereits im vergangenen August in einem Brief aufgefordert. Mindestens eine Party fand aber auch danach noch statt. Wie viele es genau waren und ob das Waldheim bis heute für solche Feiern genutzt wird, ist unklar.

Neben der Zweckentfremdung sieht der Förster Markus Klas weitere Risiken durch die Feiern: „Im Sommer besteht permanent die Gefahr eines Waldbrandes“, sagt er. „Außerdem ist der Wald ein geschützter Lebensraum für viele Tiere, die durch den Lärm gestört werden.“

In Sindelfingen kursieren inzwischen wilde Gerüchte über nicht genehmigte Veranstaltungen im Waldheim. Auch deshalb will die Arbeiterwohlfahrt den Pächter so schnell wie möglich loswerden. „Herr Ulanow hat seit vielen Monaten keine Pacht mehr bezahlt“, berichtet der Sindelfinger Anwalt Joachim Klenk, der die Awo juristisch vertritt. „Trotzdem weigert er sich, das Gebäude zu verlassen.“ Ulanow hatte die Pacht des Sindelfinger Waldheims im Frühjahr 2013 übernommen. Nach Angaben der Awo versprach er, den gastronomischen Betrieb weiterzuführen, aber auch Projekte für schwer erziehbare Jugendliche anzubieten. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, waren das leere Versprechungen. Inzwischen versucht der Verein deshalb, Manfred Ulanow aus dem Waldheim herauszuklagen. Dieser leugnet die Vorwürfe, wollte sich aber nicht zu Details äußern.

Niemand will das Waldheim haben

Das Sindelfinger Waldheim ist 1966 gebaut worden und hat jahrzehntelang nicht nur einen Biergarten beherbergt, sondern war auch der Schauplatz vieler Ferienfreizeiten und Seniorencafés. Noch im Jahr 2010 besuchte der Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer das Waldheim und ließ sich inmitten spielender und bastelnder Kinder fotografieren. Doch im Laufe der Jahrzehnte ist das Waldheim marode geworden. Im Hauptgebäude läuft das Wasser durch die Decke. Doch wer für die beträchtlichen Sanierungskosten aufkommen soll, steht in den Sternen.

Eigentlich hat die Awo das Gelände des Waldheims für hundert Jahre gepachtet – also bis 2066. Doch inzwischen wäre der Verein, der mit Überalterung und Mitgliederschwund kämpft, das Gebäude gerne los. Nur: Sindelfingen möchte es bislang nicht übernehmen. Der Rechtsanwalt Joachim Klenk hofft, dass die Stadt mehr Interesse zeigt, wenn der unliebsame Pächter das Waldheim endlich verlassen hat.