Premiere im Bundeskanzleramt: Angela Merkel gewährte erstmals einem Videoblogger ein Interview. Der Youtube-Star LeFloid stellte Fragen, die Internetnutzer unter #Netzfragtmerkel vorschlagen konnten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Für die Kundschaft von Youtube ist Gerhard Schröder wohl eine ähnlich antiquierte Gestalt wie Bismarck oder Barbarossa. Ihnen sei erklärt: jener Schröder hat Deutschland bis vor zehn Jahren regiert. Er galt als „Medienkanzler“, weil er meinte, ihm reichten „Bild, Bams und Glotze“ als Herrschaftsinstrumente. „Bild“ und „Bams“ sind die Zeitungen mit den größten Buchstaben, die Glotze dürfte auch dieser Generation noch ein Begriff sein, auch wenn sie eher streamt als zappt.

 

Gemessen an Angela Merkel war Schröder als Medienkanzler ein blutiger Anfänger. Obwohl die mächtigste Frau der Welt vor nicht allzu langer Zeit zugegeben hat, dass das Internet für sie Neuland sei, ist sie jetzt schon mächtig dabei, dieses Neuland für sich zu kolonialisieren. Ihre Sonntagspredigten verschickt sie wöchentlich als Videopodcast, ihre Regierungssprecher twittern und tummeln sich bei Facebook.

Die Kanzlerin hat bei Obama abgeschaut

Jetzt hat sich Merkel noch einen weiteren Schritt auf das Neuland Internet vorgewagt. Am Freitag gewährte sie einem der Könige jenes Terrains eine Audienz: Der Videoblogger LeFloid durfte die Regierungschefin interviewen. Das hat sich die Kanzlerin von Obama abgeschaut. Der US-Präsident hat es Anfang des Jahres vorexerziert – mit fulminantem Erfolg.

Für Merkel selbst hat das Youtube-Interview volkspädagogischen Charakter. Sie sieht diese ungewohnte Art von Öffentlichkeitsarbeit als Teil ihres „Bürgerdialogs“ und möchte auf dem Wege auch jene Altersgruppe erreichen, die Politik eher für das langweilige Geschäft alter Leute halten.

Eine Million mal angeklickt

LeFloid ist auf dem Videokanal Youtube ein regelrechter Star. Seit 2007 stellt er dort seine Clips ins Netz. 2,6 Millionen Abonnenten schauen sich das an. LeFloid heißt mit bürgerlichem Namen Florian Mundt. Er ist 27, in Berlin geboren, ging in der brandenburgischen Provinzstadt zur Schule und studiert nebenher an der Humboldt-Universität Psychologie und Rehabilitationspädagogik. Üblicherweise beschäftigt sich LeFloid mit existenzielleren Themen als Politik: Seine Videos tragen Titel wie „Können wir wirklich bald Saurier klonen?“ oder sie verraten „Die grausamsten Namen für Kinder“.

Was LeFloid die Kanzlerin fragen sollte, ließ er sich von seiner Netzgemeinde soufflieren. Unter dem Schlagwort (neudeutsch: Hashtag) „#NetzFragtMerkel“ sammelte er Vorschläge. Das einschlägige Video wurde mehr als eine Million Mal angeklickt und 64.000 Mal geliked.

„Wem würden Sie am liebsten eine scheuern?“

„Wird wohl ne Menge Arbeit zwischen den ganzen albernen Fragen die relevanten raus zu suchen“, konstatiert einer der Nutzer. Es gab tatsächlich auch ein paar ernsthafte Fragen, etwa zur Abhöraffäre („Jetzt mal ehrlich, wie sehr nervt Sie Wikileaks?“) und zur Griechenlandkrise. Und auch unter der Masse von unpolitischen Fragen waren längst nicht alle albern. Manche wollen Merkel schlichtweg besser kennen lernen und fragen deshalb „Gucci oder Prada?“, wahlweise auch nach ihrem Rapgeschmack: „Kollegah oder Bushido?“. Andere werden noch persönlicher: „Wem würden Sie am liebsten mal eine scheuern?“

Das komplette Interview ist von Montag an auf LeFloids Kanal zu sehen.