Der Fassadenkünstler Christoph Ganter ist als Sprayer unter dem Namen „Jeroo“ auf der ganzen Welt bekannt. Nach dem S-Bahn-Halt „Sommerrain“ hat er nun auch den Bahnhof in Fellbach mit seinen Werken besprüht.

Fellbach - Er schüttelt die Spraydose, es klackert. Ein prüfender Blick auf die Betonwand. Einmal kurz in die Luft gesprüht, wie ein Arzt, der eine Spritze testet. Dann geht es los. In großen Bögen lässt er die Dose über die Wand kreisen, und die atmet zischend eine Wolke grüner Farbe aus.

 

Christoph Ganter steht vor dem Trafo-Häuschen am Fellbacher Bahnhof. Die Deutsche Bahn hat ihn beauftragt, auf den tristen Würfel ein schönes Graffiti zu sprühen. Christoph Ganter, 39 Jahre alt, aufgewachsen in Weil der Stadt, ist kein Maler, sondern ein bekannter Fassadenkünstler. Ein Sprayer.

Seit mehr als 25 Jahren ist er in der Szene unterwegs. Bei einem Schulprojekt Anfang der 1990er-Jahre hat er gesehen, wie ein Graffiti entsteht und durfte sich ausprobieren. Seitdem hat er nicht mehr aufgehört. Mit dem Gesetz nahm er es anfangs nicht so genau. Als Zwölfjähriger wurde er das erste Mal erwischt, wie er sich auf einer Hauswand verewigte.

Hausdurchsuchung bei den Eltern

Über die folgende Hausdurchsuchung – in so einem Fall Standardprogramm – zeigte sich Christophs Vater nicht sonderlich begeistert. Kein Wunder, Ganter Senior war Richter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. „Es gab mächtig Ärger.“ Doch der Schock saß nicht tief. Das war nur Pech, dachte sich Chris – und war bald wieder unterwegs. Nach zwei weiteren Durchsuchungen und Standpauken des Vaters sah er langsam ein, dass „illegales Malen nicht so gut ist, wenn man noch was vorhat mit seinem Leben“.

Von nun an malte er nur noch, wo er durfte. Die erste Auftragsarbeit war für einen Kumpel. Dann kam ein Jugendhaus, die Aufträge wurden größer – Jeroo, wie er sich bald nannte, war der Stern am Sprayerhimmel. In Australien besprühte er die Höhle von Crocodile Harry, dem Vorbild für die Filmfigur Crocodile Dundee. In Südamerika erlebte er eine ganz andere Mentalität als in Deutschland. Wenn er dort Brücken besprühte, freute man sich und steckte ihm Geld zu.

Zu seinen Auftraggebern zählt inzwischen auch die Deutsche Bahn. Die Bahnhöfe Sommerrain, Vaihingen und Nordbahnhof hat er bereits verschönert. Nach Fellbach folgen noch Asperg und Echterdingen. „Das ist auf der einen Seite schön, weil es für einen Sprüher ein Traum ist, solche Hotspots legal anzumalen“, sagt Christoph Ganter.

Auf der anderen Seite ist die Bahn ja irgendwie eine Art natürlicher Feind des Sprayers. „Das stößt manchen in der Szene natürlich bitter auf. Die sagen dann, das wär nicht mehr authentisch. Oder sie schimpfen, dass ich ihnen jetzt die illegalen Flächen wegnehme.“ Jeroo steht da inzwischen drüber. Er ist erwachsen geworden, hat eine Frau, zwei Kinder, die müssen versorgt werden. „Ich habe eine Verantwortung und kann nicht mehr nachts im Busch sitzen.“

Der Kunde macht die Regeln

Bei Auftragsarbeiten ist natürlich der Nachteil, dass der Kunde die Regeln macht. So auch in Fellbach. „Die Vorgabe war, dass das Motiv etwas mit Wein zu tun hat“, erzählt Ganter. „Das war wohl der Wunsch der Oberbürgermeisterin.“ Da er aber sowieso gerne Motive aus der Natur sprüht, war es für ihn kein Problem, ein paar Weintrauben ins Bild zu integrieren.

Drei Tage lang sprühte er in Fellbach, ausgestattet mit einem Arsenal von knapp 100 Spraydosen. Die braucht er nicht, weil die Fläche so groß ist, sondern, weil er die Farben nicht mischen kann. Monatlich verbraucht er etwa 50 Dosen, bei größeren Aufträgen können es auch 300 werden. „Die Dosen haben den grünen Punkt, sind restentleert und haben kein Blei und kein FCKW mehr“, sagt er.

Die Reaktionen auf seine Arbeit waren überwiegend positiv. „Ein Halt davor ist Sommerrain, das heißt, die Leute kennen meine Sachen schon und haben mich direkt angesprochen, ob ich nicht der Künstler von Sommerrain bin“, erzählt er. „Die fanden das in der Regel ganz cool.“