Zwei Sieger eines Wettbewerbs dürfen in Hemmingen die Bahn-Unterführung Hälde aufhübschen. Geht Ähnliches auch andernorts im Strohgäu?

Strohgäu - Bunt statt grau soll sie künftig sein, die Bahn-Unterführung Hälde in Hemmingen. „Ein gut gemachtes Graffiti sieht besser aus als Sicht-Beton“, dachte sich der Bürgermeister Thomas Schäfer (CDU), als er im Frühjahr vorschlug, dass Jugendliche das Bauwerk besprühen können. Im Jugendforum – es traf sich Anfang März erstmals – entstand schließlich die Idee eines Wettbewerbs: Bis 27. September reichen junge Leute von 14 bis 24 Jahren Vorschläge ein, wie die Unterführung verschönert werden kann. Die zwei Gewinner setzen ihre Motive mit einem professionellen Graffitikünstler um.

 

„Die Verschönerung der Unterführung ist absolut vernünftig“, finden die Sozialpädagogen Jens Konnerth und Gregor Adam vom Jugendhaus Astergarten, das Wettbewerb wie Jugendforum unterstützt. Kahle Wände seien mehr als trist und zu Genüge vorhanden. Auch sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Wand illegal besprüht oder beschrieben wird. Was schon geschah: Laut dem Bürgermeister wurden an den Betonfertigteilen der Bahnunterführung Tags angebracht, kaum da jene standen. Auch andernorts, an öffentlichen Gebäuden oder Scheiben von Bushaltestellen, sei es bereits zu „vereinzelten Schmierereien“ gekommen. Dennoch will die Gemeinde nicht noch mehr Flächen zum Sprayen freigeben. Es gebe keine weiteren Flächen zur Nutzung, sagt Thomas Schäfer, „so viel Sicht-Beton ist bei uns nicht verbaut. Wenn nötig, wird eine Anti-Graffiti-Beschichtung aufgebracht.“

Das Team des Jugendhauses glaubt zwar nicht, dass für Graffiti ausgewiesene Flächen illegale Aktionen verhindern. „Da nicht alle illegalen Sprayer an der Erstellung richtiger Kunstwerken interessiert sind, ist es eher unwahrscheinlich, dass dadurch illegales Sprayen reduziert wird“, sagt Jens Konnerth. Aber: „Der Vorteil ist sicher die Position der Gemeinde, bei illegalen Graffiti darauf hinweisen zu können, dass solche Flächen existieren.“

Kommunen: Graffiti verschönern auch das Stadtbild

Geht es nach den Sozialpädagogen, entsteht im Ort eine „Art Übungsfläche“, auf der lokale Sprayer kleine Kunstwerke erstellen können. „Gegebenenfalls könnten wir auch schauen, dass wir auf unserem eigenen Gelände einen geeigneten Ort dafür finden“, sagt Gregor Adam. Der Astergarten veranstaltet immer wieder Graffitiworkshops. Auf Anfrage könne „bei uns hinterm Haus geübt werden“.

Auch andere Strohgäu-Kommunen gewähren Sprayern Raum. Ditzingen zum Beispiel in der Kernstadt auf dem Freizeitgelände Lehmgrube. „Die Wände sind insgesamt rund 70 Quadratmeter groß und werden in der Regel einmal im Jahr vom Betriebshof weiß angestrichen“, sagt der Rathaussprecher Jens Schmukal. Die Anlage werde gut angenommen, auch Auswärtige nutzten sie. „Wir haben die Flächen eingerichtet, um Sprayern eine legale Möglichkeit zu geben, ihrem Hobby nachzugehen – und um das illegale Besprühen zu reduzieren“, sagt Jens Schmukal. Die jugend- und subkulturelle Bedeutung von Graffiti und Street Art als Kunst- beziehungsweise Ausdrucksform sei nicht zu unterschätzen. „Die Förderung legaler Spray-Flächen geht daher also über den rein präventiven Aspekt hinaus.“

Die Graffitiwand in Gerlingen neben der Pumptrack geht laut der Verwaltung auf eine Initiative des Jugendgemeinderats in der Wahlperiode 1997 bis 1999 zurück. Zuletzt sei sie 2016 neu besprüht worden, sagt die Rathaussprecherin Sofie Neumann. Es sei richtig, Personen eine Fläche zu bieten, auf der sie ihre Kunst zum Ausdruck bringen können. „Neben den vorsätzlichen Verschmutzungen und Schmierereien, die durch Graffiti verursacht werden, gibt es unter den Sprayern auch Personen, die richtige Kunstwerke entwerfen und dadurch das Stadtbild verschönern“, sagt Sofie Neumann.

Täter werden zur Kasse gebeten

Korntal-Münchingen stellte nach eigenen Angaben bisher keinen Bedarf für legale Flächen fest. Gegebenenfalls, heißt es aus dem Rathaus, prüfe man das Thema auf Bedarf und Umsetzbarkeit. „Generell sind legale Graffitiflächen eine gute Sache. Eine Garantie, dass es keine Schmierereien gibt, sind sie natürlich nicht.“

Das Polizeipräsidium in Ludwigsburg unterscheidet zwischen Graffiti mit einem gewissen „künstlerischen Hintergrund“ und Sachbeschädigung in Form von Schmierereien etwa. Laut dem Sprecher Stefan Hermann besteht im Strohgäu kein Grund zur Sorge in Bezug auf Graffiti. In den vergangenen Jahren registrierte die Polizei pro Jahr 30 bis 55 Fälle, Tendenz sinkend, bei insgesamt rund 3000 Straftaten. Sachbeschädigungen gebe es „einige mehr“. Der Schaden betrage im Jahr Zehntausende Euro. Die Beseitigung sei oft sehr aufwendig.

Ob die Ausweisung entsprechender Flächen die Fallzahlen verringere, lasse sich kontrovers diskutieren, so Hermann. „Man kann beim Sprayen von verschiedensten Motivlagen ausgehen. Daher ist es schwierig, nur mit einem Ansatz in der Verhaltensprävention zu arbeiten.“ Grundsätzlich rät die Polizei betroffenen Kommunen, alle Graffiti anzuzeigen und sie danach rasch zu entfernen, um keine Nachahmer zu animieren. Außerdem sollten sie ermittelte Täter an den Kosten der Beseitigung beteiligen oder zu Arbeitseinsätzen heranziehen – so fordert Ditzingen Schadenersatz. Viele Kommunen strichen gefährdete Flächen mit einer speziellen Farbe. „Sie sorgt dafür, dass ein Graffiti leichter abgewaschen werden kann.“ Dies praktiziert etwa Korntal-Münchingen.