Die Idee ist gut, doch bei der Umsetzung hapert es offenbar gewaltig: Warmwasseranlagen sollen auf Legionellen getestet werden. Aber der Aufwand dafür ist ziemlich groß – und viele Haus- und Wohnungseigentümer machen noch nicht mit.

Stuttgart - Die neue Trinkwasserverordnung zum Schutz vor Legionellen schlägt bei Vermietern weiterhin hohe Wellen und verursacht beim Gesundheitsamt jede Menge Überstunden, paradoxerweise droht sie aber in Stuttgart dennoch zum Flop zu werden. Der Grund: viele Vermieter gehen bisher beim Thema Warmwassertest auf Tauchstation, weil ihnen die Sache offensichtlich zu kompliziert und der Aufwand zu groß ist. Nach mehr als einem halben Jahr seit der „unverzüglichen“ Meldepflicht sind beim Gesundheitsamt erst gut 3000 größere Warmwasseraufbereitungsanlagen angezeigt und erst von 200 Gebäuden Prüfbefunde vorgelegt worden. In jedem vierten Fall muss nachgebessert werden.

 

Das Amt erwartet mittlerweile nicht nur geschätzte 10 000 Anzeigen von Warmwasseranlagen mit mehr als 400 Litern in vermieteten Gebäuden, sondern bis zu 30 000. „Es kommen täglich weitere Anzeigen hinzu, es gibt täglich auch 20 bis 30 Telefonanfragen sowie E-Mails zu der Problematik, aber es läuft insgesamt schleppend. Die Leute warten offenbar ab, ob es noch Veränderungen gib“, sagt Erich Zeller vom städtischen Gesundheitsamt. Denn beim Bundesgesundheitsministerium plant man bereits Korrekturen an der neuen Verordnung, die aufgrund ihrer vielen Vorgaben und knappen Fristen im Praxistest zu scheitern droht, Hausbesitzer wie Ämter überfordert. Im September wird sich der Bundesrat damit befassen. Nach Auskunft des Vereins Haus & Grund soll unter anderem die Anzeigepflicht möglicherweise ganz aufgehoben und die Prüffrist bis 31. Dezember 2013 verlängert werden. Bis jetzt gilt, dass die Prüfbefunde bereits bis zum 31. Oktober dieses Jahres beim Gesundheitsamt vorliegen müssen. „Wenn ein Mieter sich ab 1. November bei uns meldet und sagt, mein Vermieter hat die Anlage nicht geprüft, dann muss das Gesundheitsamt tätig werden“, erläutert Zeller die bisherige Rechtslage, die offensichtlich vielen Vermietern so gar nicht bewusst ist.

Der Aufwand für die Eigentümer ist hoch

Dass erst von 200 Gebäuden Prüfbefunde zur Warmwasseranlage vorliegen, führt Zeller auf den hohen Aufwand zurück. So müssten größere Hausverwaltungen erst Ausschreibungen machen und klären, wer die Proben nimmt und prüft. Und viele Eigentümergemeinschaften müssten erst eine Versammlung einberufen, denn auch wenn nur einzelne Wohnungen im Haus vermietet seien, bestehe eine Untersuchungspflicht. „Da gibt es viel Ärger, wenn Eigennutzer dafür nicht bezahlen wollen, dazu gehen oft Fragen ein“, so Zeller.

Beim Verein Haus & Grund heißt es allerdings, dies sei in der Beratung kein Thema. „Unsere Meinung ist aber, das sind Kosten der Gemeinschaft, weil ja alle vom Ergebnis profitieren“, sagt Geschäftsführer Ulrich Wecker. Auch habe die eigene Hausverwaltung eine klare Linie beim Thema Trinkwasserverordnung gezogen, um gar nicht erst Unruhe aufkommen zu lassen. Wecker: „Wir lassen durchgängig prüfen, egal ob vermietet ist oder nicht, weil wir ja nicht wissen, ob übers Jahr nicht doch ein Eigentümer anfängt zu vermieten.“ Zudem kooperiere man mit einem Institut, das den Vermietern alle Mühen von der Anzeigepflicht der Anlage bis zur Probenentnahme und -prüfung sowie der Ergebnismeldung ans Amt abnimmt.

Das Prozedere ist kompliziert

Dieser Aufwand ist es mitunter, der viele abschreckt. Schon allein die keimfreie Probenentnahme ist eine Prozedur, die auch die Innung Sanitär und Heizung stark gefordert hat. „Wir haben umfassend geschult, die Betriebe sind inzwischen gut vorbereitet auf die Trinkwasserverordnung“, sagt Wolfgang Treiber von der Innung Stuttgart. Im Schnitt müssten pro Anlage drei Probeentnahmestellen eingebaut werden, genommen würden die Proben dann meist von speziellen Labors. Bei Vermietern wie Hausverwaltern habe es zunächst große Unklarheiten über das Prozedere gegeben, noch immer kämen Anrufe. Dass jetzt an einer Novelle gearbeitet werde, sieht Treiber als „Wasser auf die Mühlen derjenigen, die bisher sagen, das hat seit 50 Jahren so funktioniert, wir warten ab“.

Die eigentlichen Probleme kommen auf die Handwerker aber erst noch zu. Was macht man, wenn sich herausstellt, dass die Warmwasseranlage mit Legionellen verkeimt ist und saniert werden muss? „Da laufen Schulungen, die Betriebe sind dabei, sich darauf vorzubereiten“, sagt Treiber. Einige Firmen hätten mit Sanierungen lange Erfahrungen, andere nicht.

Das Wasser sollte 60 Grad haben

Beim Gesundheitsamt sieht man die allgemeinen Erwartungen bezüglich 25 bis 30 Prozent auffälliger Anlagen bis jetzt bestätigt. „Von den 200 geprüften Gebäuden ist bei 150 die Wasseranlage okay, bei 50 muss man nachhaken, weil der technische Maßnahmewert von 100 Legionellen pro 100 Milliliter Wasserprobe erreicht oder überschritten ist“, sagt Erich Zeller. In vielen Fällen habe sich gezeigt, dass die Wassertemperatur zu niedrig sei, oft nur 45 Grad statt der empfohlenen 60 betragen habe. Zeller: „Viele Befunde sind aber auch bei niederen Temperaturen in Ordnung, das kommt immer auf den Einzelfall an. Nur wenn die Legionellen einmal da sind, kriegt man das Problem nicht in den Griff.“

Man habe bisher keine Anlage stilllegen müssen, habe aber viele Einzelmaßnahmen angeordnet, so Zeller. Das mache das Ganze für das Amt neben Anzeigenaufnahme und Informieren so arbeitsintensiv. So seien in einem Haus 25 Proben genommen worden, nur eine sei extrem auffällig gewesen. Die Ursache dafür sei ein Handwaschbecken in der Spitzgiebelwohnung gewesen, das selten benutzt wurde und daher verkeimt war. Keller: „Da haben wir empfohlen, die Wasserleitung in der darunter liegenden Wohnung abzutrennen und nur noch Kaltwasser hochzuführen.“ Grundsätzlich empfehle sich als Faustregel, alle Warmwasserstellen im Haus mindestens einmal pro Woche laufen zu lassen, um die Leitungen durchzuspülen.

Gesundheitsgefahr durch Legionellen

Legionellen:
Stehendes Leitungswasser und nur lauwarme bis warme Temperaturen von 25 bis 50 Grad sind der beste Nährboden für die Bakterien, denen die neue Trinkwasserverordnung mit regelmäßigen Kontrollen der Warmwasseranlagen in Mietshäusern das Leben schwer machen will. Die größte gesundheitliche Gefahr besteht dabei beim Einatmen von verseuchtem Wasserdampf, etwa beim Duschen. Betroffene können an einer mitunter tödlichen Lungenentzündung, der Legionärskrankheit, erkranken.

Verordnung:
Mit einer zweiten Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung will die Bundesregierung im Herbst Missverständnisse ausräumen und Fristen verlängern. Auch soll besser definiert werden, welche Großanlagen überhaupt unter die neue ,Prüfungspflicht fallen. Laut Entwurf ist eine „Großanlage zur Trinkwassererwärmung eine Anlage mit Speicher-Trinkwassererwärmer oder zentralem Durchfluss-Trinkwassererwärmer mit jeweils einem Inhalt von mehr als 400 Litern oder mit mehr als drei Liter Inhalt in mindestens einer Rohrleitung zwischen Abgang des Trinkwassererwärmers und Entnahmestelle“. Entsprechende Anlagen in Ein- und Zweifamilienhäusern zählen laut Definition aber nicht zu den Großanlagen zur Trinkwassererwärmung.