Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)


Vielleicht tut sich jetzt endlich etwas. Exner hat seine Vorschläge zu Art und Umfang regelmäßiger Kontrollen präzisiert und erweitert. Beim Verein Deutscher Ingenieure sitzt eine Expertengruppe über einem technischen Regelwerk für Rückkühlanlagen, das Grundlage für künftige Genehmigungsverfahren sein könnte.

Für die Opfer und Opferangehörigen von Ulm kommt all das zu spät. Einige haben Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Doch ihre bohrenden Fragen, wer verantwortlich ist für Tod und vielfaches Leid, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit unbeantwortet bleiben. Schon seit einem Jahr führt die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung. Der zuständige Oberstaatsanwalt Rainer Feil spricht jedoch ausweichend von "komplizierten technischen Vorgängen" und "einer Vielzahl von verschiedenen Firmen bei der Errichtung der Kühlanlage".

Seit dem Fahndungserfolg der Mediziner liegt das Kraftwerk still


Im Detail ausformuliert klingt alles noch viel trostloser. Rund um das todbringende Telekom-Blockheizkraftwerk wuchert ein kaum durchdringliches Gestrüpp von Firmen. An der Gebäudefassade leuchtet zwar das pinkfarbene T der Telekom, doch der Bau gehört dem luxemburgischen Immobilienfonds Armstripe.

2008 hatte zunächst der österreichische Strabag-Konzern das Gebäude, wie so viele andere Telekom-Immobilien in Deutschland, gekauft und ihn kurz darauf an Armstripe weitergereicht. Die österreichische Tochter Strabag Property and Facility Services blieb jedoch als Gebäudebetreiber und -verwalter vertraglich mit dem Telekom-Konzern verbunden. So war es die Strabag-Tochter, die 2009 den Bau des Ulmer Blockheizkraftwerks in Auftrag gab. Sie tat das auf Geheiß der 2004 gegründeten Telekom-Tochtergesellschaft Power & Air Solutions, die Besitzerin des Kraftwerks hätte werden sollen und die im Konzern sämtliche Raumluft- oder Stromanlagen plant und betreibt.

Tatsächlich gebaut hat 2009 die Firma Kuhnert Haustechnik mit Sitz im sächsischen Gottschdorf. Kuhnert wiederum beschäftigte weitere spezialisierte Unterauftragnehmer, etwa zum Bau der Kühltürme und der Leitungsanlagen. Bis heute weiß offensichtlich niemand genau, welche Handwerker und Spezialisten aus welchen Firmen wann welche Arbeit an der Anlage ausgeführt haben. Oberstaatsanwalt Feil kann nach einem Jahr Ermittlungsarbeit beispielsweise sagen, dass Biozide, also Desinfektionsmittel, zum Einsatz gekommen sind. Er weiß aber nicht, ob genug davon verwendet wurden.

Seit dem Fahndungserfolg der Mediziner liegt das Kraftwerk still, ohne dass es eine Behördenanweisung dafür geben würde. Es ist gereinigt und technisch modifiziert worden, wird keinen Tod mehr ausspeien. Doch niemand will mit ihm in Verbindung gebracht werden, solange das Strafverfahren noch schwebt. Zur Frage, wem das Rückkühlwerk, das nicht über das Stadium des Testlaufs hinausgekommen war, aktuell gehört, will sich auch ein Telekom-Sprecher aus München nicht festlegen. "Das können wir nicht sagen."

Defort ist nach vier Wochen wieder auf die Beine gekommen


Chefermittler Feil hat nicht vor, schnell aufzugeben. Er fragt: "War das im strafrechtlichen Sinne ein Testlauf? Oder zog der Betreiber zum Unglückszeitpunkt bereits Profit aus der Anlage, nutzte sie also für das Gebäude?" Dann schleichen sich in Feils Worte wieder die Vagheit und der Zweifel. Es reiche nicht, etwa einem Installationsbetrieb nachzuweisen, dass in einem bestimmten Rohr der Anlage zu wenig Biozid verwendet wurde.

Die Justiz müsse anschließend auch kausal darlegen, dass dieser Fehler für die Bildung der Todeswolke ursächlich gewesen sei. Vier Wochen hat Johannes Defort gebraucht, um auf die Beine zukommen, wieder ins Büro fahren zu können, wo ihn 400 Mitarbeiter erwarten und die Verantwortung für 39 Bahnhöfe und Haltestellen, 800 Kilometer Schienen und 600 Kilometer Oberleitungen zwischen dem Bodensee und Crailsheim.

Er hatte aufgehört zu rauchen nach der schockierenden Infektion, weil er glaubte, sein Laster habe ihn angreifbarer für die Legionellen gemacht. Nach Monaten hörte er auf, sich eine Mitschuld zu geben. "Die Gefahr hat doch jemand anders entstehen lassen", sagt er. Er würde sich wohl einen Anwalt nehmen, würde klagen, wenn er nur wüsste, gegen wen. Mit innerem Schauder sieht er an wolkenverhangenen Tagen zu den Dächern und prüft, ob der Rauch aus den Schornsteinen aufsteigt oder wie schwärzliche Schleier durch die Häuserschluchten zieht.