Acht Lego-Steine besitzt theoretisch jeder Mensch. Roland Birkle hat viel, viel mehr davon – und zeigt einen Teil der beeindruckenden Sammlung in Welzheim.

Welzheim - Mit einer genoppten Grundplatte in Grau sowie roten und weißen Steinen hat es angefangen. Ob der Däne Ole Kirk Christiansen, der von 1949 an Lego-Bausteine produzierte, sich anfangs hätte träumen lassen, dass der Spielstein ein weltweiter Verkaufsschlager werden würde? Um die 600 Milliarden Legosteine, so heißt es, sind rund um den Globus verbaut oder warten in Kisten und Kartons auf das nächste Projekt.

 

„Theoretisch besitzt also jeder Erdenbewohner acht Steine“, sagt Roland Birkle, der selbst deutlich mehr Exemplare in seinem Fundus hat. Viele tausend Beispiele aus der Sammlung des Lego-Fans aus Althütte sind nun, kunstvoll verbaut, in der neuen Sonderausstellung des Museums Welzheim zu sehen, die am 18. Juli unter dem Titel „Lego-Welten“ eröffnet.

Die Steine sind nahezu unzerstörbar

Eigentlich sollte die Schau bereits im Herbst 2020 starten, alles war fix und fertig aufgebaut und vorbereitet, doch dann hat die Coronapandemie die Eröffnung verhindert. Die monatelange Wartezeit war zum Glück kein Problem: Legosteine sind geduldig und nahezu unzerstörbar. Zumindest, seit sie aus einem robusten Stoff namens Acrylnitril-Butadien-Styrol, kurz ABS-Kunststoff, hergestellt werden, was seit dem Jahr 1964 der Fall ist.

Die ersten Steine, die Roland Birkle in den späten 1950er Jahren als Bub in den Händen gehalten hat, waren nicht ganz so haltbar und aus Celluloseacetat gefertigt. „Das Material hat sich im Lauf der Zeit verzogen“, sagt der Sammler über die ersten Steine, die Christiansen noch unter dem Namen „Automatic Bindung Bricks“ produzierte. Einige Exemplare davon sind zu sehen und liefern den Beweis, dass die frühen Steine mit Noppen besetzt, ihre Unterseite aber komplett hohl war. „Das hat dazu geführt, dass die damit gebauten Modelle nicht besonders stabil waren“, erzählt Roland Birkle. Die etwas später in die Unterseite integrierten Röhren schafften da Abhilfe.

Die erste Lego-Familie kam 1974 auf den Markt

Die zunächst eher bescheidene Auswahl an Steinen und Farben machte die Firma mit viel Zubehör wie Verkehrsschildern, aber auch Tankstellen und kleinen Autos wett, sodass eine ganze Stadt erschaffen werden konnte. Was in den Legostädten lange Zeit fehlte, das waren Menschen. Die erste Legofamilie – Mutter, Vater, Tochter, Sohn und eine Oma mit Dutt – kam 1974 auf den Markt.

Wer durch das Welzheimer Museum streift und irgendwann nach 1950 geboren ist, entdeckt in den Vitrinen garantiert alte Bekannte und längst verschollenes Spielzeug: die Baby-Rassel in Form eines Hasen, Piratenschiffe für Anfänger und Fortgeschrittene, Modelle von Feuerwehrautos im Wandel der Jahrzehnte, Züge, Raumschiffe, Rennwagen, Baumaschinen und Flugzeuge. Die Modelle sind ein Spiegel ihrer Zeit. Die Raketenabschussrampe stammt aus den 1960er Jahren, die deutsche Fußballnationalmannschaft ist hingegen ziemlich aktuell, das zeigt die Topffrisur des Trainers. Deutlich zu sehen ist, dass die Firma Lego auch gezielt ein erwachsenes Publikum anpeilt. Unter der Altersangabe „18 Jahre Plus“ können Legofans beeindruckende Großprojekte in Angriff nehmen, beispielsweise ein riesiges Modell der Zauberschule Hogwarts aus den Harry-Potter-Büchern nachbauen oder mit der Serie Creators im Lauf der Jahre und Haus für Haus eine ganze Stadt erschaffen.

Ein Gebäude besteht aus 3000 Teilen

Ein Beispiel dafür ist ebenfalls im Museum aufgebaut: Umrundet von einem Legozug, steht da ein Sammelsurium aus Häusern, wie man sie aus den USA, England und Frankreich kennt. Jedes der Gebäude bestehe aus rund 3000 Teilen, sagt Roland Birkle, den die vielen Details faszinieren. Von den Blumen auf dem Fensterbrett über den Kronleuchter bis zum Firmenschild und Verzierungen an der Fassade haben die Designer an rein gar alles gedacht. Die Stockwerke lassen sich einzeln abnehmen, so wird der Blick frei auf das, was sich im Inneren der an Puppenstuben erinnernden Häusern tut.

Ein bisschen fühlt man sich wie ein Riese im Zwergenland. Da entpuppt sich eine Wäscherei neben der Bankfiliale als Geldwäscherei, und auf der Straße wird gerade ein Geldtransporter überfallen. Vor dem Kino an der Ecke fährt währenddessen ein Filmstar vor, jubelnde Fans stehen schon bereit, und der Tierarzt Doctor Jones schaut mit einem Papagei auf der Hand aus dem Fenster seiner Praxis. „Für viele Erwachsene ist das ein Ersatz für die Modelleisenbahn“, sagt Roland Birkle. „Sie bauen Städte und erzählen Geschichten.“ Und liefern den Beweis, dass Lego eines der wenigen Spielzeuge ist, das Menschen quasi von der Wiege bis zum Grab faszinieren kann.