Die Geophysikerin Christiane Heinicke berichtet im Backnanger Bürgerhaus über ihre Erfahrungen aus einer einjährigen Mars-Simulation auf Hawaii.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Backnang - Sechs Menschen, drei Frauen und drei Männer, leben und arbeiten ein Jahr lang unter engsten Raumverhältnissen zusammen. Das Gebäude zu verlassen, ist nur in einem Raumanzug möglich. Vor der kuppelartigen Behausung von elf Metern Durchmesser und sechs Metern Höhe erstreckt sich eine gleichförmig braune Landschaft, soweit das Auge sehen kann. Wie verhalten sich Menschen in solch einer Situation? Kooperieren sie über die gesamte Zeitspanne oder gehen sie sich irgendwann so auf die Nerven, dass die Gruppe zerbricht?

 

„Es war ein Experiment über Gruppendynamik während einer Expedition zum Mars“, erklärt Christiane Heinicke, promovierte Geo-Physikerin aus Bremen im vollen Saal des Backnanger Bürgerhauses. Rund 220 Zuhörerinnen und Zuhörer sind gekommen, um zu erfahren, was die Wissenschaftlerin während des einjährigen Langzeitversuchs auf Hawaii erlebt hat.

Eine Landschaft wie auf dem Mars

Die karge Landschaft ist der Abhang des Vulkans Mauna Loa. „Der kleine weiße Punkt ist die Station“, sagt Christiane Heinicke und zeigt auf das Foto, das sie vor der braunen Lava-Landschaft zeigt – ohne Raumanzug, das Bild ist nach dem Ende des Experiments entstanden. Man muss schon genau hinschauen, um das Pünktchen zu entdecken. Es wirkt völlig verloren auf der Flanke des gewaltigen Berges. „Der Mauna Loa ist größer als der Mount Everest, wenn man den Teil dazu rechnet, der unter Wasser ist“, sagt sie.

Am 28. August 2015 startete das vierte und bisher längste Experiment des Hawaii Space Exploration Analog and Simulation (HI-SEAS), das von der NASA finanziert und von der University of Hawaii betreut wird. Der Ort ist so gewählt worden, um der Umgebung auf dem Mars so ähnlich wie möglich zu kommen. Allerdings ist der Planet um einiges lebensfeindlicher. „Die Durchschnittstemperatur liegt bei minus 60 Grad Celsius, die Atmosphäre besteht zum größten Teil aus Kohlendioxid.“ Dazu kommt die starke Weltraumstrahlung, die auf dem Mars wegen des schwachen Magnetfelds nahezu ungehindert auftrifft.

Strategien gegen Streit

Schutz sollen Gebäude bringen, an deren Konzeption Christiane Heinicke mittlerweile in Bremen mitarbeitet. Die Stationen sollen in Zukunft auf dem Mars und auf dem Mond zum Einsatz kommen. Um vorher zu erfahren, wie sich Menschen unter diesen Bedingungen verhalten, werden die Experimente gemacht. „Unser Ziel war es, 366 Tage zusammen durchzustehen. Wir haben es geschafft.“

In 366 Tagen – eine Tag mehr wegen des Schaltjahrs – kann die Stimmung nicht immer gut sein. „Man kann sich ja nicht aus dem Weg gehen.“ Um keine Eskalation zu riskieren, müsse man sich Strategien zurechtlegen. „Wenn man merkt, dass einen etwas an einem anderen aufregt, sollte man es rechtzeitig ansprechen“, sagt Christiane Heinicke. So habe die Angewohnheit eines „Mitreisenden“, seine Tasse überall stehen zu lassen, die anderen geärgert. „Als wir ihm das gesagt haben, hat er das nicht mehr gemacht, bis auf ein paar Mal, als er es vergessen hat.“

Emotionaler Sprengstoff

Zu Beziehungen zwischen den Teilnehmern sei es auch gekommen, sagt Christiane Heinicke auf Nachfrage aus dem Publikum. Mehr verrät die Wissenschaftlerin darüber allerdings nicht. Nur so viel: „Das sollte man sich in dieser Situation genau überlegen. Was wäre, wenn die Beziehung nach kurzer Zeit in die Brüche geht? Und wenn einer der beiden dann mit einem anderen aus dem Team eine neue Beziehung eingeht?“ Das ist zweifellos emotionaler Sprengstoff, der bereits außerhalb der Laborbedingungen auf Hawaii explodieren kann.

Für Christiane Heinicke ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Menschheit zum Mars reisen wird. „Mir würde dazu eine internationale Partnerschaft gefallen.“ Die Reise zum Nachbarplaneten birgt allerdings noch einige harte Nüsse, die Ingenieure knacken müssen. Unter anderem die Strahlung, die außerhalb des Magnetfelds der Erde die Reisenden trifft. Eine Abschirmung gilt es noch zu erfinden.

Eine sehr begehrte Referentin

Das Thema lässt sie jedenfalls nicht los, und nicht nur sie. Das Deutsche Zentrum für Satelliten-Kommunikation (DeSK), welches den Vortragsabend veranstaltet hat, musste zwei Jahre warten, bis die Wissenschaftlerin Zeit hatte. „Leute wie Sie sind rar und sehr begehrt“, sagte der DeSK-Vorstand Hans-Peter Petri.