Der Personalmangel und eine hohe Zahl junger Ukraine-Flüchtlinge könnten zu größeren Schulklassen in Baden-Württemberg führen. Zumindest schließt Winfried Kretschmann das nicht aus.
Angesichts von Personalmangel und einer hohen Zahl junger Ukraine-Flüchtlinge schließt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auch größere Schulklassen nicht gänzlich aus. Es würden zwar zunächst andere Wege ausprobiert, um die Zahl der Lehrkräfte zu erhöhen und die Unterrichtsversorgung zu sichern, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart und verteidigte erneut seinen jüngsten Brandbrief an die Schulen zur Arbeitszeit von Lehrern.
„Aber wir haben natürlich noch etwas in der Tasche, um das zu lösen. Das wäre die Erhöhung des Klassenteilers.“ Abgesehen von Vorwürfen und Kritik erhalte er keine Vorschläge von Lehrerverbänden, was in dieser „akuten Mangellage“ getan werden könne. Der Klassenteiler ist der Richtwert, ab dem eine Klasse in zwei Klassen aufgeteilt wird. Er ist seit 2004 als rechnerische Größe definiert und dient als Grundlage für die Lehrerzuweisung.
„Der Klassenteiler ist aktuell so etwas wie die letzte Patrone.“
Auch die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hatte vor wenigen Tagen in einem Interview gesagt: „Der Klassenteiler ist aktuell so etwas wie die letzte Patrone.“ Sie wolle zwar nicht die Klassen vollstopfen, sagte sie dem „Mannheimer Morgen“. Es sei ihr aber bewusst, dass es ziemliche Ungerechtigkeiten gebe. „Wir haben kleine Grundschulen, die mit dem Klassenteiler nie in Berührung kommen, während in Städten wie Mannheim oder Stuttgart Klassen aus allen Nähten platzen.“
Der Philologenverband warf Kretschmann vor, „frech gelogen“ zu haben. Sehr wohl erhalte er Vorschläge, wie es besser laufen könne. Der Regierungschef sei bereits Mitte März aufgefordert worden, über einen Sonder- oder Nachtragshaushalt Mittel freizusetzen, um rund 1000 zusätzliche Lehrkräfte gewinnen zu können. „So viele gymnasiale Lehrkräfte erhalten nämlich dieses Jahr kein Einstellungsangebot“, sagte Landesverbandschef Ralf Scholl.
Kritik an der Regierung
Die FDP bemängelte, Lehrkräfte müssten nach über zwei Jahren Corona-Pandemie entlastet werden. Kretschmann habe das Problem allerdings über Jahre verschlafen. „Dass er aktuell ausgerechnet in dieser Situation auch noch zusätzlich die dringend benötigten Vertretungslehrkräfte in die Sommerferienarbeitslosigkeit entlässt, setzt dem Ganzen noch die Krone auf“, sagte FDP-Bildungsexperte Timm Kern. Mit Verweis auf die hohen Kosten hatte das Kultusministerium zuvor einer Weiterbeschäftigung der Lehrkräfte über die Sommerferien erneut eine Absage erteilt. Betroffen sind rund 4000 Lehrkräfte.
Stefan Fulst-Blei (SPD) warf der Regierung vor, eine Drohkulisse aufzubauen. „Erst sollen alle mehr arbeiten – jetzt will er den Klassenteiler erhöhen“, sagte der Bildungsfachmann.
In Baden-Württemberg liegt die Untergrenze für eine Klassengröße derzeit in allen Schularten bei 16 Kindern oder Jugendlichen. In der Grundschule wird eine Obergrenze bei 28 Schülerinnen und Schülern gezogen, in Haupt- oder Realschule sowie im Gymnasium bei 30.