In Baden-Württemberg werden die Schülerzahlen wohl weniger stark sinken als bisher erwartet. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat schon angekündigt, das bisherige Ziel, in den nächsten Jahre 11 600 Lehrerstellen einzusparen, werde korrigiert.

Stuttgart - Die Zahlen sind Wasser auf die Mühlen des Kultusministers und seiner SPD. Die neue Bevölkerungsvorausrechnung des Statistischen Landesamts bestätige, dass mehr Schüler an den Schulen seien, als die bisher gültige Prognose aus dem Jahr 2010 erwarten ließ, frohlockt Andreas Stoch und folgert prompt: „Es ist für mich selbstverständlich, dass wir bei dieser Entwicklung deutlich mehr Lehrer brauchen als bisher angenommen.“

 

Schon lange rüttelt die SPD an dem Plan, 11 600 Lehrerstellen bis zum Jahr 2020 abzubauen. Nun schwenkt auch der grüne Regierungschef auf diese Linie ein. Der ursprünglich geplante Abbaupfad müsse nach unten korrigiert werden, erklärte Winfried Kretschmann am Donnerstag.

Wie genau sich die neuen Berechnungen auf die Lehrerstellen auswirkten, müssten das Finanz-und das Kultusministerium ausrechnen, erwartet Kretschmann. Das wird noch dauern, denn die Zahlen sind noch gar nicht da. Der SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel lässt sich bereits damit zitieren, im Jahr 2020 seien 70 000 Schüler mehr zu erwarten, als das Statistische Landesamt im Jahr 2010 prognostiziert habe. Diese Zahl stamme nicht von ihnen, wiegeln die Statistiker ab. Die neuen Prognosen zu den Schülerzahlen kämen Ende Juli.

Unterschiedliche Zahlen im Spiel

Anfang Juni haben die Statistiker jedoch bereits eine neue Bevölkerungsvorausrechnung vorgelegt. Diese sagt für das Jahr 2020 1,165 Millionen Schüler im Land voraus, 31 000 mehr als im Jahr 2010 prognostiziert. Dass Schmiedel auf eine Differenz von 70 000 kommt, erklärt sich das Statistische Landesamt damit, dass der SPD-Mann wohl bei der alten Vorausrechnung die Zuwanderung weggelassen habe. Bei beiden Prognosen die Zuwanderung eingerechnet, ergebe sich die Differenz von 31 000.

Die Schülerzahlen bleiben rückläufig, der Rückgang wäre aber schwächer als erwartet. Kretschmann und sein Stellvertreter, der Finanzminister Nils Schmid (SPD), betonen, es sei eine gute Nachricht, dass es mehr Kinder in Baden-Württemberg gebe als erwartet. Beide versichern, eine gute Unterrichtsversorgung, gute Bildung und gerechte Bildungschancen hätten oberste Priorität. Kretschmann erklärt, er habe immer gesagt, der Abbaupfad für die Lehrerstellen werde korrigiert, sofern eine neue Prognose einen geringeren Rückgang der Schülerzahlen vorhersage. Nils Schmid bekräftigt: „Es war immer klar, dass wir von Haushalt zu Haushalt prüfen, wie groß die demografische Rendite wirklich ist.“

Grüne bleiben zurückhaltend

Claus Schmiedel geht in der „Südwest Presse“ bereits davon aus, dass bis zum Jahr 2020 nach den neuen Zahlen 3500 Lehrer mehr benötigt werden. Die Grünen, die sich schwertun, von dem Sparziel abzuweichen, bleiben zurückhaltend. „Lehrerstellen können nur so weit abgebaut werden, wie es der Rückgang der Schülerzahlen zulässt, ohne die Qualität der Bildung zu gefährden“, das gesteht die Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann zu. Sie erwartet vom Kultusminister ein Bedarfskonzept sobald die genauen Prognosen vorliegen und verlangt von ihm auch eine bessere Steuerung der Ressourcen, damit „die Lehrerinnen und Lehrer dort eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden“.

Auch einen Seitenhieb auf den Finanzminister teilt die Fraktionschefin aus: „Wir sind gespannt, wie sich die Mehrbedarfe auf die von SPD-Finanzminister Schmid angestrebte Nullverschuldung ab 2016 auswirken“. Mit der Vorgabe hatte Schmid kürzlich den grünen Koalitionspartner überrascht. Jetzt kontert Schmid, „die Null 2016 steht“. Im Zweifel gelte „Vorfahrt für Bildung“. Sein Konzept für die Nullverschuldung 2016, „ist dadurch nicht infrage gestellt“.

Für die oppositionelle FDP war „stets offensichtlich, dass die grün-roten Pläne von 11 600 zu streichenden Lehrerstellen überzogen sind“. Für die CDU wird „das Chaos im Bildungsbereich immer deutlicher“. Sie verlangt verlässliche Zahlen.