Der Leibfriedsche Garten schließt das Grüne U der Stuttgarter Parks – und verkommt.

S-Nord - Sie waren ein Stolz der Stadt, als verbindendes Schlussglied für das Grüne U der Stuttgarter Parkanlagen zur Internationalen Gartenbauausstellung, eine verblüffend stille Oase der Natur knapp neben dem tosenden Verkehrsknotenpunkt und den vielspurigen Verkehrsachsen zu ihm hin. Erst 20 Jahre ist das her. Inzwischen sind die Anlagen des Leibfriedschen Gartens am Pragsattel in einem wahrhaft erbarmungswürdigen Zustand. Zugesperrt in weiten Teilen, und zugeschmiert selbst am immer noch beliebten Aussichtspunkt, der einen traumhaften Blick über den Stuttgarter Talkessel bietet, verfällt und verödet ausgerechnet der jüngste Park der Stadt.

 

Die dortige Villa Moser brannte unter den Bomben des Angriffs vom September 1944 vollständig nieder. Im Jahr 1875 hatte sie Eduard Otto Moser im Gründerzeit-Stil erbauen lassen. Er war einer der vielen großen Schokoladenfabrikanten Stuttgarts – Haller, Ritter (heute Waldenbuch), Waldbaur, Staengel & Ziller (Eszet) und Buck (bekannt später auch durch die Ahoj-Brause). Die seit 1906 geschützte Marke Moser-Roth wird heute wieder vertrieben, nun von der Discountkette Aldi. Auf dem heutigen Aussichtspunkt war der Wasserbehälter für die Springbrunnen der Moserschen Gärten und deren künstlicher Felsengrotte.

Eingliederung ins Grüne U war geplant

Die Planer der Internationalen Gartenbauausstellung IGA von 1993 wollten das acht Kilometer lange sogenannte Grüne U der Parks zwischen Schlossgarten, Rosensteinpark und Killesberg mit dem Leibfriedschen Garten und den Wartberg-Anlagen schließen und beauftragten den Bildhauer und Land-Art-Künstler Hans Dieter Schaal mit der Gestaltung.

Der 1943 geborene Hans Dieter Schaal ist studierter Geisteswissenschaftler und Architekt. Bekannt wurde er aber auch als Bühnenbildner großer Theaterregisseure wie Nicolas Brieger und Ruth Berghaus. Das Multitalent schuf etwa gleichzeitig mit den Anlagen des Leibfriedschen Gartens auch den „Stangenwald“ im Höhenpark Killesberg oder einige Jahre später den Monopteros im Exotischen Garten von Schloss und Universität Hohenheim.

Die Aussichtsplattform als Landmarke

Schaal erschloss die von wilder Vegetation überwucherten Ruinen der alten Villa mit Stegen und Brücken in Konstruktionen aus Stahl und weißem Beton und machte die verwunschene Grotte zugänglich. Die Heilbronner Straße können Fußgänger auf dem Bombay- und dem Brünn-Steg, benannt nach den Stuttgarter Partnerstädten, in Richtung Wartberg überqueren. Eine Seilnetzbrücke, der Lodz-Steg, führt auch über die Nordbahnhofstraße in den Rosensteinpark. Am dortigen Zugang schuf der amerikanische Bildhauer Dan Graham für die IGA 93 sein „Gate of Hope“ aus Edelstahl und Glas, das an die Pyramide des Pariser Louvre erinnert.

Weithin sichtbare Landmarke des Leibfriedschen Gartens ist die rund zehn Meter hohe, als Bastion Leibfried bekannte Aussichtsplattform, beliebt wie eh und je. Sie ist über einen Spiralweg erreichbar und trägt auf ihrer Gipfelfläche fünf Hainbuchen. Von den gravierten Metallbändern auf dem umgebenden Mauerrund sind keine Texte mehr lesbar, keine Zeichnungen mehr zu erkennen, auch die Hinweisschilder sind zugesprayt. Was es mit dem schönen Ort auf sich hat, und was von ihm aus im weiten Panorama zu sehen ist, das müssen sich die Besucher alleine erschließen.