Die Wahrheit der Zahlen ist unerbittlich: Acht Geiseln hat Israels Armee in mehreren Militäroperationen aus dem Gazastreifen befreit, zum Preis vieler palästinensischer Opfer. 110 israelische Geiseln kamen Ende letzten Jahres im Rahmen einer ausgehandelten Waffenruhe frei. Nun wurden sechs Geiseln von Hamas-Terroristen ermordet, offenbar, als israelische Soldaten sich ihrem Standort näherten. Drei andere Geiseln hatten israelische Truppen im Dezember aus Versehen sogar selbst erschossen.
Netanjahu sieht militärischen Druck als Schlüssel zum Erfolg
Seit Beginn des Geiseldramas gab es in Israel zwei gegensätzliche Standpunkte in der Frage, wie die Entführten zu befreien seien. Vorrangig rechts Orientierte, darunter Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, sehen militärischen Druck als Schlüssel: Zum einen könnten die Truppen Geiseln befreien, zum anderen würde das entschlossene Vorrücken der Armee die Hamas zum Einlenken bewegen. Das andere Lager, darunter die meisten Geiselfamilien, fordert eine Einigung mit der Hamas, auch zum Preis einer dauerhaften Waffenruhe, Hauptsache, so schnell wie möglich.
Der Fund der sechs Getöteten, die vor wenigen Tagen wohl noch lebten, stärkt das Argument dieses Lagers auf grausamste Weise. Der Verdacht, dass Netanjahu aus machtpolitischen Erwägungen einen Kompromiss mit der Hamas erschwert, macht die Tragödie umso bitterer. Dass Israels Zivilgesellschaft nun den Druck auf die Regierung erhöht, ist richtig. Für viele Geiseln kommt das zu spät.