Arthur Abele aus Hüttlingen auf der Ostalb ist Zehnkampf-Europameister. Die Belohnung dafür, dass der bemerkenswerte Athlet trotz vieler Rückschläge nie aufgegeben hat.

Berlin - Auf der letzten Runde muss Arthur Abele noch einmal leiden. Sein Schritt wird schwer, die Miene gequält, die Zuschauer brüllen ihn weiter nach vorne. Keiner sitzt mehr im Olympiastadion. Es wird reichen, das weiß er längst, und reißt schließlich mit letzter Kraft die Arme in die Höhe. Es ist vollbracht, Arthur Abele ist am Ziel seiner Träume.

 

Da steht er dann im Zielraum, der neue Europameister im Zehnkampf. „Ich kann es nicht glauben, das ist einfach irre“, sagt König Arthur von Hüttlingen. Es dauert nicht lange, dann trägt der blonde Naturbursche von der Ostalb eine Pappkrone auf dem Kopf. Vorher aber wird er nach zweitägiger Tortur übermannt von Emotionen. Hemmungslos weint er, bis der 32-Jährige schließlich mit deutscher Fahne auf der Tartanbahn hüpft. Mit 8431 Punkten gewinnt er die Goldmedaille, die erste für das deutsche Team bei der EM in Berlin.

Arthur Abele nutzt die Gunst der Stunde

Richtige Zeit, richtiger Ort – Arthur Abele, der Sportsoldat vom SSV Ulm 1846, hat die Gunst der Stunde genutzt. Entschlossen griff er zu, als sich ohne die drei Medaillengewinner der WM 2017 die Chance seines Lebens eröffnete.

Vizeweltmeister Rico Freimuth (30) hatte im Mai in Götzis nach sieben Disziplinen unvermittelt aufgegeben und die Saison für beendet erklärt. „Mentale Müdigkeit“ verspürte er und und hatte „den Spaß am Zehnkampf“ verloren. Im Juli schloss sich Freimuth bis auf Weiteres den Verbandsligakickern von Romonta Amsdor an.

Kai Kazmirek (27) wiederum, der Bronzemedaillengewinner von London, musste kurzfristig passen. Bis zum letzten Moment hatte der Sachse gewartet und gehofft – vergeblich. Muskelprobleme im Bauchbereich machten einen Zehnkampf unmöglich. Ein paar Tage vor EM-Beginn sagte er ab: „Es hat keinen Sinn.“ Youngster Niklas Kaul (20) nahm seinen Platz ein und debütierte mit 8220 Punkten als Vierter famos.

Weltmeister Kevin Mayer (26) schließlich, „das Übertier“ (Abele), wurde nicht von Motivations- oder Verletzungsproblemen gestoppt – der Superstar aus Frankreich stand sich in Berlin selbst im Weg. Als haushoher Favorit war der Zehnkampf-Dominator angetreten, um den Weltrekord des US-Amerikaners Ashton Eaton (9045 Punkte) zu attackieren. Doch viel zu viel riskierte Mayer im Weitsprung. Dreimal übertrat er – und packte seine Sachen lange vor der ersten Mittagspause.

Im Hürdensprint auf die Spitzenposition

Freimuth und Kazmirek nicht dabei, Superstar Mayer draußen. Plötzlich war der Weg frei für Arthur Abele. Jetzt oder nie. Stabile Leistungen hatten ihm am ersten, seinem schwächeren Tag bis auf Platz zwei geführt – am nächsten Morgen war er sofort wieder hellwach. Seine 13,94 Sekunden im Hürdensprint rissen die Zuschauer noch vor zehn Uhr von den Sitzen. Nun lag Abele ganz vorne.

Ein Dämpfer folgte im Stabhochsprung, er kam nur über 4,60 Meter und rutschte auf Platz drei zurück. Die Nerven verlor er dennoch nicht – und rückte die Verhältnisse anschließend sehr eindrucksvoll zurecht. Auf 68,10 Meter schleuderte der Kraftprotz den Speer gleich im ersten Versuch – und versuchte danach vergeblich, sich das Lachen zu verkneifen. Abele wusste: es war die Entscheidung. Zu stark seine Qualitäten über 1500 Meter, zu schwach die seiner Verfolger.

Für Abele ist es die Krönung seiner Karriere, die Belohnung dafür, dass er trotz aller Verletzungen nie aufgegeben hat. Mit 19 wurde er Vizeeuropameister, mit 21 gewann er erstmals das Traditionsmeeting in Ratingen – es lief wie am Schnürchen. Im Jahr darauf allerdings stieg er bei den Sommerspielen 2008 in Peking nach vier Disziplinen verletzt aus. Es war der Beginn einer Leidenszeit, in der Abele zum Schmerzenmann der deutschen Leichtathletik wurde.

Artur Abeles langer Leidensweg

Fast fünf Jahre lang konnte er nach Peking keinen Zehnkampf bestreiten und wurde auch danach immer wieder zurückgeworfen. Es gibt nicht viele Verletzungen, die er sich noch nicht zugezogen hat. Das Spektrum reicht vom Achillessehnenriss beim Hochsprungtraining bis zur halbseitigen Gesichtslähmung in Folge eines Infekts zu Beginn dieses Jahres. Weit entfernt war zu diesem Zeitpunkt die EM-Teilnahme.

Doch hat er sich ein weiteres Mal zurückgekämpft. In Ratingen, wo er 2016 seine Bestleistung von 8605 Punkten aufgestellt hatte, gewann er im Juni zum dritten Mal, mit starken 8481 Punkten. Sie hatten in Ulm noch einmal alles mobilisiert, sein Trainer Christopher Hallmann und Leichtathletik-Abteilungsleiter Wolfgang Beck, der aus dem SSV in den vergangenen Jahren eine Eliteschmiede des Zehnkampfs geformt hat. Und natürlich Arthur Abele selbst, der neue König der Athleten. Für all die Anstrengungen sind er und sein Team nun im Übermaß entschädigt worden.