Die Bestzeit von Julian Reus liegt bei 10,03 Sekunden, kein anderer deutscher 100-Meter-Sprinter war je schneller. Doch für den Leichtathleten vom TV Wattenscheid gibt es Wichtigeres als Rekorde oder eine EM-Medaille.

Stuttgart -

 
Herr Reus, Sie sind der schnellste Deutsche der Leichtathletik-Geschichte. Welche Bedeutung hat das für Sie?
Es erfüllt mich nicht komplett. Weil es, wie ja bei der Frage schon durchklingt, ein Teil der Geschichte ist. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.
Sie schauen lieber nach vorne?
Zumindest mache ich mir als Aktiver keine Gedanken darüber, an welcher Stelle in irgendeiner Statistik ich auftauche. Für mich ist die nächste Aufgabe wichtig, solange ich noch mit beiden Beinen im Sprinter-Leben stehe. Die Emotion kommt vielleicht später, wenn ich auf meine Karriere zurückblicke. Doch noch habe ich Ziele.
Welche?
Ich will mich immer weiter verbessern.
Das hört sich banal an.
Ist es aber nicht. Ab einem bestimmten Niveau bedeutet jede Hundertstel Sekunde, die man schneller wird, einen großen Schritt.
Sie sind bei 10,03 Sekunden angekommen. Nervt es Sie, ständig gefragt zu werden, wann Sie die 10-Sekunden-Marke knacken?
Ja, schon ein wenig.
Warum?
Weil ich meine Karriere nicht danach bewerte, ob ich irgendwann 9,99 Sekunden laufe oder nicht. Regen, Wind, Bahn, Gegner – es gibt so viele Faktoren, die ein 100-Meter-Rennen beeinflussen, dass nicht allein entscheidend ist, ob man nun in Top-Form antritt oder nicht. Für mich hat mein Sport eine viel zu hohe Wertigkeit, um ihn an einer bestimmten Zahl festzumachen.
Was motiviert Sie dann?
Für mich hat zum Beispiel eine viel wichtigere Bedeutung, fünf Jahre nacheinander unter 10,10 Sekunden gelaufen zu sein. Immer noch stabiler zu werden, ist auch schon eine Form der Verbesserung.
Was treibt Sie sonst noch an?
Vor allem die Liebe zu meinem Sport. Ich betreibe den Sprint mit großer Leidenschaft, gehe jeden Tag voller Genuss zum Training. Natürlich ist das alles mit vielen Anstrengungen, Schmerzen und Opfern verbunden, aber ich bin trotzdem unglaublich gerne Leistungssportler.
Der wissen will, wo seine Grenzen liegen?
Natürlich! Ich bin schon sehr zufrieden und stolz darauf, was mein Körper bisher zu leisten imstande war. Aber es ist selbstverständlich weiterhin enorm reizvoll, zu schauen, was noch möglich ist.
Wo liegt Ihre Grenze?
Keine Ahnung. Ich weiß nur: Ich habe meine Grenze noch nicht erreicht. Ich hoffe, dass es noch schneller geht. Doch ob ich jemals den Tag erwischt habe, an dem alles perfekt zusammengepasst hat, weiß ich erst am Ende meiner Kariere.
Bis dahin liegen noch ein paar Höhepunkte vor Ihnen. Welche Ziele setzen Sie sich für die Olympischen Spiele?
Rio ist noch weit weg. Aktuell zählt nur die EM in dieser Woche in Amsterdam.