Der frühere Weltmeister Kim Collins darf nach einem Zwist mit dem Verband nicht bei der WM starten. Die Kriterien für eine Nominierung für die Teilnahme an den Wettkämpfen habe er nicht erfüllt.

Monaco - Tyson Gay fehlte entschuldigt in Monaco, wenn auch mutmaßlich nicht ganz schuldlos. Schließlich wird der Weltjahresschnellste aus den USA mittlerweile als Dopingsünder verdächtigt. Und wenn das Rennen beim Diamond-League-Meeting am Freitag nicht nach 100 sondern nach 80 Metern beendet wäre, gäbe es für Usain Bolt bei der WM in Moskau (10. bis 18. August) nun einen völlig überraschenden Herausforderer: den 37-jährigen Kim Collins aus St. Kitts und Nevis.

 

Doch am Ende siegte der in Sachen Leistungsmanipulation erfahrene und zwischenzeitlich vier Jahre gesperrte Amerikaner Justin Gatlin in 9,94 Sekunden, knapp vor Dentarius Locke (9,96/USA) und Jimmy Vicaut (9,99/Frankreich). Collins wurde letztlich Fünfter in 10,08 Sekunden – bei leichtem Gegenwind, weshalb die Zeit des Veteranen aus der Karibik aber so hochkarätig einzustufen ist wie seine Bestmarke von 9,97 Sekunden, die er bei optimalen Verhältnissen am 4. Juli in Lausanne gerannt war; hinter Gay und dem inzwischen ebenfalls positiv getesteten Sprinter Asafa Powell aus Jamaika.

Der Mann mit dem Raketenstart

Nachdem Gay und Powell nun aus dem Verkehr gezogen wurden und der jamaikanische Weltmeister Yohan Blake verletzt ist, sollte die neunte Teilnahme an einem WM-Finale in der Halle und im Freien für Kim Collins eigentlich eine leichte Übung sein. Der Weltmeister von 2003 zählt bei den Läufen um Medaillen zur Stammbesetzung. Seit Jahren hebt sich der Mann mit dem Raketenstart aufgrund seiner Statur und seines sonnigen Gemüts von den augenscheinlich testosterongesteuerten Supersprintern ab. Collins, der seit einer Dekade zur Sprintelite gehört, verkörpert den Traum von nicht nachlassender Leistungsfähigkeit. Doch mit dem nächsten Rekord, der siebten WM-Teilnahme nacheinander, wird es wohl nichts.

Weil er die Kriterien für eine Nominierung nicht erfüllte, wurde Kim Collins vom Leichtathletik-Verband seines Heimatlandes (SKNAAA) nicht für die Titelkämpfe in Russland nominiert. Der Rekordhalter habe weder an der vorgeschriebenen nationalen Meisterschaft teilgenommen, noch um eine Ausnahmeregelung nachgesucht, teilte die Organisation mit. Zudem habe er den Verband, der von seinen Athleten einen Anteil von 20 Prozent an den WM-Prämien und Sponsorengeldern abverlangt, mit Kommentaren diskreditiert.

Collins hat eine große Fangemeinde

Der seit zwei Jahren schwelende Zwist zwischen Funktionären und Volksheld, der sich unter anderem nach finanziellen Differenzen vom Verband lossagte, erreichte damit einen zweiten Höhepunkt. Vor einem Jahr hatte der SKNAAA Collins bei den Olympischen Spielen in London mit einem Bann belegt, weil der Sprinter für drei Tage aus dem Athletendorf verschwand, um nach eigenen Worten mit seiner jamaikanischen Gattin Sex zu haben. „Sogar Häftlinge dürfen sich mit ihrer Frau treffen“, ätzte Collins darauf via Twitter. Notorische Skeptiker merkten an, dass sich in Zeiten intimer Zweisamkeit Hormone nicht nur abbauen ließen.

Die Zweifler aber sind in der klaren Minderheit. Spätestens seit jenem Sommerabend des 25. August 2003 bei der WM in Paris ist Kim Collins ein Liebling der Fans. Da schockte sich der schmächtige Kerl laut eigener Aussage selbst, als er auf der nicht für Sieger reservierten Bahn eins trotz der relativ bescheidenen Zeit von 10,07 Sekunden die Goldmedaille und die Herzen der Zuschauer eroberte. Auch vor zwei Jahren trumpfte der Dauerbrenner, zu dessen Ehren in Basseterre, der Hauptstadt seines Inselstaates, Hauptverkehrsader in Kim-Collins-Highway umgetauft wurde, in einem WM-Wettkampf groß auf. Collins profitierte im südkoreanischen Daegu von der Disqualifikation Usain Bolts und gewann acht Jahre nach seinem Gold-Coup überraschend Bronze. Im Alter von 35 Jahren hatte zuvor noch nie ein Sprinter bei einer WM einen Podestplatz erreicht.

Collins erfreut sich einer großen Fangemeinde – auch in den sozialen Netzwerken. Vor allem aus Irland erhielt er Einladungen, doch künftig für die grüne Insel zu starten. So unterbreitete ein Anhänger dieser Tage dem Leichtathletik-Weltverband IAAF den nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag, „Kimland“ als 213. Mitgliedsstaat aufzunehmen. Collins verspricht sich von rascher staatlicher Hilfe mehr: „Jetzt bin ich offiziell nicht im Team. Zeit für den Premierminister zu handeln.“