Malaika Mihambo bleibt die Weitsprung-Queen: Die Goldmedaille der Heidelbergerin für ihren 7,12-Meter-Satz rettet das deutsche Team vor der ganz großen WM-Pleite in Eugene.

Malaika Mihambo lauschte lächelnd und mit geschlossenen Augen der Nationalhymne, auf der Tribüne dürften der deutschen Leichtathletik-Führung Wackersteine von der Seele gepurzelt sein: Die Weitsprung-Queen aus Heidelberg hat sich erneut die WM-Krone aufgesetzt und mit ihrem Gold-Coup in Eugene die Bilanz des Teams Deutschland wenigstens ein bisschen gerettet.

 

„Es ist schwer genug, Weltmeisterin zu werden. Den Titel erfolgreich zu verteidigen, ist aber das, was es etwas ganz Besonderes macht - das ist die Königinnen-Disziplin“, sagte die Olympiasiegerin, nachdem sie in einem nervenaufreibenden Wettkampf mit 7,12 Metern vor Ese Brume aus Nigeria (7,02) wie vor drei Jahren in Doha zu WM-Gold gesprungen war - seit dem EM-Triumph 2018 in Berlin ist die 28 Jahre alte Heidelbergerin nun bei großen Meisterschaften ungeschlagen.

Nach EM-Gold 2018, dem WM-Gold 2019 und dem Olympiasieg in Tokio 2021 ist dies nun der vierte große Titel ihrer Karriere. Als zweifache Weltmeisterin zieht die 28-Jährige mit ihrem Vorbild Heike Drechsler gleich, die 1983 und 1993 WM-Gold holte.

Riesenspannung nach zwei ungültigen Versuchen

Durchaus dramatisch war der Wettkampf deshalb, weil Mihambo nach zwei ungültigen Versuchen das frühe Aus drohte - und dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) damit das WM-Ende mit nur einer Medaille, dem Bronze-Erfolg der Sprintstaffel.

„Nach dem zweiten Versuch konnte ich es nicht fassen, dass der schon wieder ungültig war“, sagte Mihambo: „Das beunruhigt dann natürlich schon und setzt einen unter Druck. Ich habe in meiner Karriere aber schon viel Selbstvertrauen gewonnen, weil ich schon oft in solchen Situationen war.“

Mit ihrem Trainer Uli Knapp („er ist so ein wichtiger Mensch für mich“) tüftelte sie an der Bande eine neue Anlauftaktik aus, kam trotz eines Sicherheitssprungs im dritten Durchgang auf 6,98 - Platz zwei. In Durchgang vier übernahm Mihambo mit 7,09 Metern die Spitze und setzte in der finalen Runde noch das Sahnehäubchen auf die WM-Torte - und war damit noch unzufrieden.  

„Ich war richtig gut drauf“ 

„Ich war richtig gut drauf wie 2019“, sagte sie - damals hatte Mihambo in Doha mit 7,30 Metern triumphiert: „Wenn man sich den dritten Sprung anschaut- ich hatte einen ganz schönen Landeverlust, bin 17 Zentimeter vor dem Brett abgesprungen. Wenn man das zusammenrechnet, kommt man ganz auf eine ganz schöne Weite.“

Das ist eben Mihambo. Titel sind für sie fast nur Beiwerk, sie will vielmehr die beste Version ihrer selbst sein. Bei der Siegerehrung sackte dann aber das ganz große Glücksgefühl durch. „Ich habe mir da einfach nochmal klar gemacht, dass ich mich so darüber freuen kann, wie ich mich weiter entwickelt habe. Dass ich über mich hinauswachsen kann, dass ich immer fester im Leben stehe“, sagte Mihambo. 

Dass sie nun die erste Europäerin ist, die mindestens zweimal in Folge Weltmeisterin im Weitsprung wurde (zuvor war das nur den US-Amerikanerinnen Jackie Joyner-Kersee und Brittney Reese gelungen), sei zwar „schön“. Doch sie habe „nicht den Ansporn, die größte Weitspringerin der Welt zu werden. Ich versuche einfach, meinen Weg zu gehen, und ich freue mich über jeden Erfolg, den ich dabei mitnehmen kann.“

Und deshalb ist es auch typisch Mihambo, dass sie im Moment des großen Erfolges schon den nächsten möglichen Erfolg in den Mittelpunkt stellte: „Eine große Party brauche ich heute nicht“, sagte sie: „Jetzt kommt die EM in München - danach sieht das vielleicht anders aus.“   

DLV ist nicht zufrieden mit Bilanz von Eugene

Mihambos Gold ist ein Trostpflaster auf eine sonst enttäuschende WM-Performance des deutschen Teams: „Wir müssen feststellen, dass wir mit dem Ausgang der WM nicht zufrieden sind und es so nicht erwartet haben“, sagte Chefbundestrainerin Annett Stein am Sonntag. Nach zehn Wettkampftagen standen außer dem Edelmetall der Heidelbergerin nur eine Bronzemedaille für die Sprintstaffel der Frauen zu Buche. Dies ist die schlechteste deutsche Ausbeute in der WM-Geschichte. Die bis dahin wenigsten Medaillen gab es 2003 in Paris mit einmal Silber und dreimal Bronze.

„Ziel war, die Medaillenpotenziale abzurufen und das Ergebnis der Olympischen Spiele zu verbessern“, sagte Stein. In Tokio hatten die DLV-Asse drei Medaillen gewonnen. Bei der WM in Eugene hätten 40 bis 45 Prozent der 80 deutschen Athleten ihr Leistungsvermögen nicht abrufen können, erklärte Stein. Probleme bereitet hätten zudem der Ausfall von Medaillenkandidaten wie die der Speerwurf-Asse Johannes Vetter und Christin Hussong sowie der Siebenkämpferin Carolin Schäfer und des Olympia-Zweiten im Gehen, Jonathan Hilbert. Außerdem sei das deutsche WM-Team von einigen Corona-Fällen vor und während der Welttitelkämpfe beeinträchtigt worden.

Trotz des schlechten WM-Abschneidens hofft der DLV bei der Heim-EM vom 15. bis 21. Juli in München auf ein besseres Ergebnis. „Ich würde mir wünschen, wenn wir ein zweistelliges Medaillenergebnis erreichen könnten“, sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing, der auch die erfolgreiche Titelverteidigung von Mihambo nur „als Aufhübschen“ der Bilanz ansah.