Raphael Holzdeppe ist erster deutscher Weltmeister im Stabhochsprung. Der Zweibrückener lag am Montag in Moskau bei der Leichtathletik-WM mit 5,89 Meter vor dem höhengleichen Olympiasieger Renaud Lavillenie aus Frankreich.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Moskau - Raphael Holzdeppe ist dann mal weg. Bangen Blickes hatte er gerade noch den Flug des Renaud Lavillenie verfolgt. Bei 5,96 Meter lag die Latte. Würde der Franzose die Höhe meistern, wäre er, Holzdeppe, Zweiter. Er war dreimal gescheitert, und nun stand er da, verdammt zum Zuschauen. Gold oder Silber? Lavillenie, der den Deutschen schon so viele Siege vermasselt hat, steigt in die Höhe, touchiert die Latte, die Latte und er fallen Richtung Matte. Holzdeppe rennt los. Völlig losgelöst von der Erde. Der 23-Jährige ist soeben Weltmeister geworden. Weltmeister! Er! „Jetzt bin ich Weltmeister, und alles ist geil“, wird der Student später sagen.

 

Holzdeppe reißt sich das Trikot vom Leib, er sprintet in die Kurve zu seinem Trainer. Emotionale Momente des Glücks für einen Überflieger am Ende einer grandiosen Flugshow. 5,89 Meter hatte Holzdeppe im ersten Versuch übersprungen, der Sechs-Meter-Springer Lavillenie hatte drei Anläufe dafür gebraucht. Fünf Springer hatten zuvor die 5,82 Meter in diesem spektakulären Wettbewerb vor recht leeren Rängen geschafft, darunter in Holzdeppe, Björn Otto und Malte Mohr drei Deutsche. Otto wurde Dritter, Mohr Fünfter – ein starkes Resultat. Holzdeppe war es aber, der an diesem Abend Leichtathletik-Geschichte geschrieben hat: Er ist der erste deutsche Weltmeister im Stabhochsprung.

Holzdeppe galt als Wunderkind. 2008 egalisierte er mit 5,80 Metern den Junioren-Weltrekord, bei den Olympischen Spielen im gleichen Jahr wurde er Achter. 18 Jahre war er, und er hatte noch alles vor sich. Vor allem eine große Zukunft. Sie wurde eine große Last. Holzdeppe flog nicht mehr. Das Abitur, Verletzungen, der Druck, Fehler im Training. Es dauerte bis 2012, bis das System Holzdeppe harmonisch lief. Er hat manches geändert, den Trainer gewechselt, an der Technik gefeilt, und einen mentalen Prozess durchlaufen. Nicht nur der Körper ist jetzt bereit, auch der Kopf. „Der Kopf ist entscheidend im Stabhochsprung. Man muss lernen, mit dem Druck und der Angst umzugehen. Ansonsten wird es gefährlich, dann sollte man gar nicht erst an den Start gehen“, sagt der Olympia-Dritte von London. Wie abgebrüht er geworden ist, zeigte Holzdeppe gestern Abend.

Läuferin Verena Sailer verpasst das Finale knapp

Was hatte Kugelstoßerin Christina Schwanitz einige Minuten vor dem großen Sieg ihres Teamkollegen noch geflucht. Den Kopf geschüttelt. Hilfe suchend zum Trainer geschaut. Es lief eigentlich gar nicht schlecht, sie stieß konstant gut. Aber nicht so, wie sie es doch kann und in dieser Saison schon gezeigt hat. Fünfmal war sie unzufrieden nach ihren Stößen, allesamt waren sie unter 20 Metern geblieben. Als Fünfte war sie so in die letzte Runde gestartet. Eine letzte Chance blieb ihr: Die Kugel flog, sie flog weit, sie flog über die 20-Meter-Marke. So weit wie nie. 20,41 Meter. Persönliche Bestleistung. Silber. Zweite hinter der übermächtigen Neuseeländerin Valerie Adams (20,88 Meter). „Ich wusste, dass noch mehr geht. Das Training hat es gezeigt. Alles oder nichts“, sagte Schwanitz.

Über die 100 Meter der Frauen hat Verena Sailer zuvor das Finale der besten Acht nur knapp verpasst. Die Mannheimerin lief im Halbfinale 11,16 Sekunden und wurde Dritte in ihrem Rennen. Die zehntschnellste gelaufene Zeit im Feld reichte der Europameisterin von 2010 nicht. Aus Europa war nur Ivet Lalova (Bulgarien/11,10) schneller als die Sprinterin der MTG Mannheim, die ihr bestes WM-Ergebnis erzielte. Tatjana Pinto war ebenfalls im Halbfinale ausgeschieden (11,54). „Das ist keine Schande, aber es ist sehr schade. Es hätte heute wirklich klappen können. Ich bin trotzdem stolz auf die Leistung, die ich gezeigt habe“, sagte Sailer, die vor zehn Tagen mit 11,02 Sekunden Bestleistung gelaufen war. Das Finale gewann die Jamaikanerin Shelly-Ann Fraser-Pryce in 10,77 Sekunden vor Murielle Ahoure (Elfenbeinküste/10,93) und Carmelita Jeter (USA/10,94).

Im Hammerwerfen wurde Markus Esser Zehnter. Im Siebkampf liegt Claudia Rath nach den ersten vier Disziplinen gestern mit 3733 Punkten auf Platz acht.