Die 25-Jährige Gesa Felicitas Krause ist bei der Leichtathletik-WM in London die einzige Europäerin, die den Afrikanerinnen über 3000 Meter Hindernis gefährlich werden könnte

London - Die Wettervorhersage für diesen Freitag dürfte Gesa Felicitas Krause mit einiger Erleichterung zur Kenntnis genommen haben. Temperaturen von immerhin noch 17 Grad stellen die Meteorologen für den Abend in Aussicht, bei nur fünf Prozent liegt die Regenwahrscheinlichkeit. Gute Bedingungen also für ihr WM-Finale über 3000 Meter Hindernis (22.25 Uhr MESZ) – ungleich bessere jedenfalls als in ihrem erfolgreich bestrittenen Vorlauf am Mittwochabend.

 

Bei strömendem Regen kämpfte sich Krause ins Finale und rettete sich sichtlich mitgenommen in die Katakomben des Londoner Olympiastadions. Beim Fernsehen ließ sie eine blaue Wolldecke mitgehen, die sie eng um ihre Schultern legte; sie zitterte trotzdem, aufgrund der Kälte und wohl auch der Furcht vor dem Scheitern, die ihr noch immer in den Gliedern steckte. Eine „so große Breite an guten Hindernisläuferinnen“ habe es „noch nie gegeben“, sagte Krause – und ahnte, dass es Finale noch härter werden könnte: „Das wird das schwerste Rennen meines Lebens.“

Gesa Krause, 25 Jahre alte Soldatin der Bundeswehr-Sportfördergruppe Mainz, will trotzdem wieder eine WM-Medaille gewinnen. Bronze holte sie vor zwei Jahren in Moskau – diesmal würde sie gerne auf dem Treppchen sogar noch höher steigen. Die 1,67 Meter kleine und 50 Kilo leichte Frau mit der geflochtenen Haarmähne ist die mit Abstand beste Europäerin – keine andere hat es ins Finale geschafft.

Trainer Wolfgang Heinig ist Krauses perfekter Begleiter

Das Problem ist nur: Es gibt nicht nur fünf Kenianerinnen und zwei Äthiopierinnen. Sondern auch noch zwei Frauen, die das Trikot von Bahrain tragen und ebenfalls aus Afrika stammen, darunter die in Kenia geborene Olympiasiegerin und Weltrekordhalterin Ruth Jebet. Es ist ein einsamer, ein ungleicher Kampf, den die Europameisterin und Olympia-Sechste gegen die Laufmaschinen aus der Hochebene führen muss. Doch wenn ihn eine gewinnen kann, ist das Gesa Felicitas Krause.

Es gibt in Deutschland keine andere Läuferin, die ihre Karriere ähnlich kompromisslos und planvoll vorantreibt. Schritt für Schritt hat sie sich in den vergangenen Jahren nach oben entwickelt. Dem Titel bei der U-20-EM 2011 in Tallinn folgten der Titel bei der U-23-EM in Tampere und schließlich die Goldmedaille bei der Aktiven-EM 2016 in Amsterdam. Ihr Fernstudium der Wirtschaftspsychologie hat Gesa Krause, hoch intelligent, kopfgesteuert und diszipliniert bis zur Selbstaufgabe, aufgegeben, um sich allein dem Sport widmen zu können. Schwer vorstellbar, dass die Einser-Abiturientin am späten Vorabend ihres Finals in ein Fernsehstudio gehen würde, so wie es die 100-Meter-Sprinterin Gina Lückenkemper getan hat.

In ihrem langjährigen Trainer Wolfgang Heinig hat Krause den perfekten Begleiter gefunden. Bis Ende vergangenen Jahres war der 66-Jährige, ein Disziplinfanatiker alter DDR-Schule, auch noch als Lauf-Bundestrainer beim DLV angestellt – als Rentner hat er seither die Zeit, noch hartnäckiger daran zu arbeiten, seine Läuferin noch weiter in die Weltspitze zu bringen. Blindes Vertrauen zeichnet ihr Verhältnis aus, auch wenn es jahrelang gedauert hat, bis der Coach endlich das Du anbot.

Seit Jahren setzt Krause auf Höhentrainingslager

Entschlossener als die meisten anderen Athleten setzen Krause und Heinig seit Jahren auf Höhentrainingslager, um das Leistungsvermögen zu steigern. Allein in diesem Jahr war die Deutsche dreimal für mehrere Wochen in der Höhe, zweimal in Kenia, einmal in Südafrika. Nach London ist Krause direkt aus Davos angereist und wird nach der WM dorthin zurückkehren.

Das Tempo vieler Afrikanerinnen hat Krause zwar trotz des Trainings in dünner Luft noch nicht erreicht – bei 8:58,78 Minuten liegt die Weltjahresbestzeit der Kenianerin Celliphine Chespol, bei 9:15,70 der deutsche Rekord, den Krause im Mai beim Diamond-League-Meeting in Katar aufgestellt hat. Doch hat sie überragende Fähigkeiten in anderen Bereichen: Als clevere, kühl kalkulierende Taktikerin gilt Krause, als perfekte Technikerin beim Sprung über die Hindernisse, als flexible Analytikerin, die sich auch von Unvorhergesehenem nicht aus der Ruhe bringen lässt. Garantiert auch dann nicht, wenn sich die Meteorologen doch getäuscht haben. www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.400-meter-huerden-weltmeister-karsten-warholm-der-wundermann-mit-dem-wikingerhelm.c16f4dfe-83a0-486c-8a36-2026afd88cbf.html www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.leichtathletik-wm-in-london-hochsprung-ass-jungfleisch-im-wm-finale.c492be19-f11c-4b24-9048-88c51963aa11.html