Drei Erwachsene und ein Kind aus Leinfelden-Echterdingen wurden Opfer der Euthanasie im Dritten Reich. Eine Ausstellung in Musberg erinnert an diese grausame Praxis. Besonders perfide: Die Angehörigen mussten das mitfinanzieren.

Leinfelden-Echterdingen - Um den Opfern zu gedenken, die in der Tötungsanstalt Grafeneck ermordet wurden, eröffnete am vergangenen Freitag die Wanderausstellung Krankenmord im Nationalsozialismus Grafeneck 1940. „Das darf nicht in Vergessenheit geraten“, sagte der Sozialbürgermeister Carl-Gustav Kalbfell. „Und durch die Forschung wissen wir, dass es auch in unserer Stadt Opfer gab.“

 

Nicht sehr weit von Stuttgart wurde während des Nationalsozialismus eine Tötungsstätte im Schloss Grafeneck betrieben. Von Januar bis Dezember 1940 wurden dort 10 654 Männer, Frauen und Kinder ermordet, die an geistigen oder körperlichen Behinderungen litten und deren Leben deshalb als wertlos angesehen wurden. Selbst als Grafeneck geschlossen wurde, hörte das Morden nicht auf. Stattdessen wurden Patienten in andere Anstalten gebracht, um dort ihr Leben zu beenden. Besonders grausam war, dass die Angehörigen das Morden mitfinanzieren mussten, da weiterhin Pflegegelder fällig wurden.

Es gab wohl noch weitere Opfer aus Leinfelden-Echterdingen

Unter den identifizierten Opfern sind auch drei Erwachsene und ein Kind, die aus Leinfelden-Echterdingen stammen. Ihre Schicksale sind Teil der Ausstellung. „Die Opfer sind in keinem Archiv aufgelistet“, sagte die Kulturwissenschaftlerin Gudrun Silberzahn-Jandt. Stattdessen stammen die mühsam zusammengetragenen Hinweise aus einem Archiv in Berlin, dem Uniarchiv Tübingen, dem Staatsarchiv Ludwigsburg, dem Hauptstaatsarchiv Wiesbaden sowie den Akten des Grafeneck-Prozesses von 1949. „Es ist aber davon auszugehen, dass es noch mehr Opfer aus Leinfelden-Echterdingen gegeben hat“, sagte Silberzahn-Jandt.

Das jüngste Opfer war Heinz Albert F.. Da er auch mit knapp zwei Jahren noch nicht sitzen konnte und kaum Reaktionen zeigte, brachten die Eltern ihn in gutem Glauben in die sogenannte „Kinderfachanstalt“. Nachdem der Arzt erklärte, das Kind leide an einem schweren Gehirndefekt, äußerten die Eltern in einem Brief die Hoffnung, dass ihr Sohn nicht mehr allzu lange leiden müsse. Der Arzt unterstrich diesen Punkt, als wäre er eine Legitimation zum Mord, und schon zwei Tage später verstarb Heinz.

Klara B. wurde mit nur 23 Jahren in die Universitätsklinik nach Tübingen gebracht. Sie glaubte, dass ihr ihre Gedanken entzogen würden. Daher diagnostizierten die Ärzte Schizophrenie und schickten sie in die Anstalt Winnenden. Sie durchlief noch zwei weitere Anstalten, bevor sie nach Grafeneck transportiert und noch am gleichen Tag ermordet wurde.

Wegen Schizophrenie eingewieen und ermordet

Einen langen Leidensweg brachte auch Lydia S. hinter sich. Sie wurde 1892 in Leinfelden geboren. Zwei Jahre nach dem Scheitern ihrer Ehe wurde sie in die psychiatrische Einrichtung in Winnenden eingewiesen. Dort wurden ihre sogenannten Erregungszustände, die später als Schizophrenie deklariert wurden, behandelt, indem sie Beruhigungsmittel bekam oder am Bett fixiert wurde. Getötet wurde sie, als sie 1941 nach Hadamar kam.

Obwohl Hermann G. 1902 in Ilsfeld geboren wurde, wuchs er bei seiner Mutter in Unteraichen auf. Auch er wurde wegen Schizophrenie eingewiesen und noch an dem Tag getötet, an dem er nach Grafeneck verlegt wurde.

Die Ausstellung:

Die Wanderausstellung im Stadtarchiv Musberg, am Schönaicher Sträßle 4 ist noch bis Freitag, 9. Juni, zu sehen. Geöffnet ist sie sonntags von 14 Uhr bis 17 Uhr. Wochentags ist ein Besuch nach telefonischer Voranmeldung unter 0711 / 9 97 54 09 möglich. Der Eintritt ist kostenfrei.