Das ist überraschend: Vor nicht einmal drei Jahren hat Sozialbürgermeister Carl-Gustav Kalbfell in Leinfelden-Echterdingen angefangen. Jetzt zieht es ihn nach Pforzheim. Die Gründe für seine Bewerbung verrät er hier.

Leinfelden-Echterdingen - Nun will er schon wieder weg: So wird die Nachricht im Internet kommentiert. Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell zieht es nach Pforzheim – eine Großstadt mit mehr als 123 000 Einwohnern. Der Mann, der zwar ein FDP-Parteibuch hat, sich aber als ein unabhängiger Kandidat sieht, hat sich dort auf den frei gewordenen Posten als Sozial-, Bildungs- und Sportbürgermeister beworben. Obwohl er erst im Oktober 2015 sein Amt in Leinfelden-Echterdingen angetreten hat. Und sich gerade jetzt anschickt Wahlversprechen einzulösen.

 

Wie berichtet, will der Bürgermeister das Kulturangebot in L.-E. stärken. Das hat er sich vor drei Jahren auf die Fahnen geschrieben. Für den 7. Juli ist ein Workshop geplant, bei dem alle Kulturschaffenden zum ersten Mal an einen Tisch geholt werden. Zu diesem Zeitpunkt wird feststehen, ob Kalbfells Bewerbung in Pforzheim erfolgreich war – oder nicht.

Es gibt noch zwei weitere Interessenten für den Posten

Denn am Dienstag, 19. Juni, werden die Pforzheimer Fraktionen ihren neuen Sozialdezernenten wählen. Zur Erklärung: Anders als bei Oberbürgermeistern üblich werden Dezernenten nicht von Bürgern, sondern von Stadträten gewählt. Bisher gibt es zwei weitere Interessenten für den Posten. Die Bewerbungsfrist läuft Mitte Mai aus. Das Vorschlagsrecht liegt bei der SPD. Kalbfell hat sämtlichen Fraktionen seine Unterlangen geschickt und wartet auf Termine, um sich persönlich vorzustellen. Warum er sich beworben hat? „Das ist eine Chance, die es sehr selten gibt“, sagt er unserer Zeitung. Die Stelle bündele alle großen sozialen Themen. Im Fall seiner Wahl kann er künftig die sozialen Lebensverhältnisse einer Großstadt maßgeblich mitgestalten. Dies reize ihn sehr.

In Leinfelden-Echterdingen wundert man sich freilich über Kalbfells Ambitionen. Aus Stadtratkreisen ist zu hören, dass sie über die Nachricht ziemlich überrascht gewesen sind. Bürgermeister Kalbfell hat die Fraktionschefs offenbar am Rande des Empfangs zum 50. Geburtstag von Amtskollegin Eva Noller ins Bild gesetzt. Ein Mandatsträger sagt: „Das ist keine große Freude, aber seine persönliche Entscheidung, die es zu respektieren gilt.“ Aus der Verwaltung heißt es, dass die Stimmung in der Verwaltungsspitze und der Umgang mit dem Gemeinderat gut seien. Aber: „Vielleicht muss man auf einen Zug aufspringen, wenn er gerade am Gleis steht.“

Kalbfell betont, dass seine Bewerbung nicht als Entscheidung gegen Leinfelden-Echterdingen zu werten ist. Von Frust im Amt könne auch keine Rede sein. „Mir gefällt es hier wahnsinnig gut“, erklärt er. Er habe auch einiges angestoßen – beispielsweise die Umgestaltung der Volkshochschule. Ihm liege eine gute Kinderbetreuung sowie die Digitalisierung und Sanierung der Schulen am Herzen. Er habe mit „L.-E. mietet“ Akzente gesetzt. Bei der Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt soll Neues entstehen. Er wolle auch weiterhin Vollgas geben – in Pforzheim oder in Leinfelden-Echterdingen.

Zufällig auf vakante Stelle gestoßen

Der Pforzheimer Zeitung hat der Familienvater gesagt, dass für ihn im Alter von fast 41 Jahren nun der Zeitpunkt für einen nächsten Karriereschritt gekommen sei. Beim Durchblättern des Staatsanzeigers sei er zufällig auf die vakante Stelle gestoßen, betont er gegenüber unserer Zeitung. Er hat sich mit seiner zweiten Frau und der gemeinsamen Tochter die achtgrößte Stadt Baden-Württembergs angesehen. Pforzheim habe der Familie auch als künftiger Wohnort gefallen. Zum Verständnis: In L.-E. wohnt die Familie in Miete – sie will aber ein Haus kaufen und so sesshaft werden. In Leinfelden-Echterdingen oder Pforzheim – das ist nun die Frage.

Die Aufgaben in der Großstadt aber werden für Kalbfell allerdings nicht wenige sein. Denn das Dezernat nimmt in der Stadt eine Schlüsselrolle ein. Die Arbeitslosigkeit inPforzheim ist hoch. Es gibt strukturelle und finanzielle Probleme. Die Stelle wurde frei, weil die bisherige Sozialdezernentin Monika Müller (SPD) in eine ähnliche Position im niedersächsischen Wolfsburg gewechselt ist.