Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Urnenbestattung. Die Auslastung des Krematoriums in Leinfelden ist deshalb sehr gut – trotz privater Konkurrenz. Wir haben einen Blick hinein gewagt und einem Mitarbeiter über die Schultern geschaut.

Leinfelden-Echterdingen - Was bleibt vom Leben? Diese Frage drängt sich am Arbeitsplatz von Domenico Crocco schmerzlich ins Bewusstsein. Der Mann mit italienischen Wurzeln verdient im Leinfelder Krematorium, und damit auf dem Waldfriedhof, seinen Lebensunterhalt. Also an jenem Ort, an den Verstorbene gebracht werden, um für die Trauerfeier und ihre Beerdigung vorbereitet zu werden.

 

Für gewöhnlich nehmen dort Erwachsene von ihren Eltern Abschied. Die Ehefrau weint um ihrem Ehemann. Die Familie muss sich von einem geliebten Mitglied trennen. Fünf kleine, schallisolierte Räume stehen dafür zur Verfügung. Die Angehörigen können eine Kerze anzünden und so viel Zeit mit dem Verstorbenen verbringen, wie sie wollen. Manchmal sind es aber auch Kinder, die gehen mussten. Viel zu früh aus dem Leben gerissen – durch einen Schicksalsschlag. Dann kann auch Domenico Crocco seine Tränen nicht zurückhalten. „Man geht schon emotional mit“, sagt er. Und: „Es gibt keinen Alltag.“

Der städtische Mitarbeiter arbeitet schon lange an dem Ort, der für Verstorbene die letzte Station ist, bevor sie zu Grabe getragen werden. Er ist Ansprechpartner für Bestatter und für Angehörige. Vor Jahren hat er einen Raben aus Stoff geschenkt bekommen – als es ihm selbst nicht gut ging. Seitdem sitzt der schwarze Vogel in der Brusttasche seiner Arbeitslatzhose. „Ich bin der Mann mit dem Vogel“, sagt er und lacht dabei.

Gerade fährt Walter Brosig auf dem Hof. Er ist der Vater von Simon Brosig, einem Musberger Bestatter. Er hilft im Familienbetrieb mit. Brosig, ein weiterer Mitarbeiter und Domenico Crocco packten an und laden einen einfachen Holzsarg aus dem Kofferraum. Darin liegt ein Mann, der in einem Esslinger Krankenhaus gestorben ist. Er hat vor Jahren festgelegt, dass er im Todesfall verbrannt werden will. „Hier ist bereits alles geregelt“, sagt Walter Brosig. Der Tote wird in einen Kühlraum gebracht. Eine knappe halbe Stunde später wird das gleiche Bestattungsinstitut einen Mann in einem stattlichen Mahagoni-Sarg bringen. Hier ist eine Erdbestattung gewünscht.

Operationsschrauben dürfen nicht in die Urne. Foto: Natalie Kanter

Dennoch: Der Trend zur Feuerbestattung ist auch in L.-E. ungebrochen – und das obwohl die Stadt die Gebühren dafür kürzlich angehoben hat. 60 Prozent der Verstorbenen wählen diese Bestattungsform, 40 Prozent die Erdbestattung. „Früher war es genau umgekehrt“, sagt Gerd Maier, der Leiter des örtlichen Bürger- und Ordnungsamtes. Zu seiner Zuständigkeit gehören auch die Friedhöfe. „Viele wollen ihren Angehörigen eine aufwendige Grabpflege ersparen“, sagt er.

Der Trend zur Feuerbestattung ist ungebrochen

Domenico Crocco bedient den 700 Grad heißen Ofen, in den der Sarg über eine Hubvorrichtung gefahren wird, wenn sich der Verstorbene für eine Urnenbestattung entschieden hat. Er kontrolliert die Technik, die sicherstellt, dass keine giftigen Stoffe durch den Kamin des Krematoriums in die Luft entweichen können. Zu seinen Aufgaben gehört es auch, jene Dinge aus der Asche zu lesen, die nicht in die ökologisch abbaubare Urne sollen: Operationsschrauben, künstliche Hüftgelenke oder Herzklappen aus Metall. Diese sammelt er in einem Eimer – sie werden von einer Spezialfirma abgeholt.

Die Stadt ist mehr als zufrieden mit der Auslastung ihres Krematoriums. Und das obwohl sich seit mehr als zehn Jahren auch private Unternehmen auf diesem Markt tummeln. 633 Einäscherungen gab es 2017 in Leinfelden. „Das war der absolute Höchststand, seit es die private Konkurrenz gibt“, sagt Maier. In diesem Jahr waren es bereits 282. Durchschnittlich sind dies 57 im Monat, also zwei bis drei pro Werktag. Maiers Erklärung dafür: „Menschen, die hier leben, wollen auch hier beerdigt werden“, sagt er. Es fahren aber auch viele Bestatter aus Stuttgart, Filderstadt und Leonberg das Krematorium an. „Sie haben bei uns gute Erfahrungen gemacht“, sagt der Amtsleiter.

Im Herbst bleibt das Krematorium einige Wochen geschlossen

Im Herbst aber müssen sich die Unternehmer eine Alternative suchen. Denn das Krematorium auf dem Waldfriedhof wird – wie bereits 2016 – für fünf bis sechs Wochen schließen. Die Technik, zu der auch die Rauchgasreinigung gehört, stammt aus den 1990er Jahren. Sie soll auf den neuesten Stand gebracht werden. „Wir halten die vorgeschriebenen Werte ein“, sagt Maier. Will heißen, die Technik funktioniert. Es werde aber immer schwieriger, Ersatzteile zu bekommen. Zur Erinnerung: Vor knapp vier Jahren hat sich der Gemeinderat nach langem Hin und Her für eine Sanierung entschieden. Das Innenleben des Ofens ist bereits erneuert worden.