„Mitarbeiter sind auch Bürger!“ Das sagt die Industrie- und Wirtschaftsvereinigung von Leinfelden-Echterdingen. Die Unternehmer fordert deshalb von der Stadt einen Masterplan, um der Verkehrsprobleme endlich Herr zu werden.

Leinfelden-Echterdingen - Eigentlich sollten sich Wirtschaft und Politik ja einig sein. Die 24 000 Angestellten, die täglich mit ihrem Auto nach L.-E. pendeln, und hunderte örtliche Kleinunternehmer und Handwerker, sie sollen nicht im Stau stehen – ebenso wenig wie die 40 000 Menschen, die in dieser Stadt leben. Unternehmer wie Stadtverwaltung wünschen sich eine schöne Stadt, die zum Flanieren, Einkaufen und Mittagessen einlädt. Die Firmenchefs nennen das dann weiche Standortfaktoren zur Mitarbeitergewinnung. Die Bürger nennen es Lebensqualität.

 

Das Was ist also geklärt. An dem Wie scheiden sich die Geister. Da endet die Einigkeit, und der Streit beginnt. Der verschärft sich dieser Tage, und ob die örtliche Industrie- und Wirtschaftsvereinigung (IWV) ihren Mitgliedern damit nicht einen Bärendienst erweist, bleibt abzuwarten. Wer den Brief liest, den Oberbürgermeister Roland Klenk diese Woche an Daniel Ludin, Vorstandsmitglied der IWV, geschrieben hat, kann durchaus zu diesem Schluss kommen.

Der Redner sei unangemessen patzig gewesen

„Unangemessen patzig“ sei er gewesen, als er am Dienstag zu Gast beim Unternehmerdialog in der Zehntscheuer war, habe „Darstellungen, die gelinde gesagt schräg sind“, von sich gegeben und die Stadt und alle ihre Verantwortungsträger „in Bausch und Bogen“ kritisiert. Ludin jedenfalls hatte tatsächlich kaum ein gutes Haar an der Verwaltungsspitze gelassen, bemängelt, dass es in Sachen Stau und schöne Stadt – siehe oben – nicht vorwärtsgeht und das im Rahmen einer Powerpoint-Präsentation mit Geldscheinen untermalt, die verbrannt werden.

Weniger plakativ, dafür umso konkreter, man mag auch sagen diplomatischer, stellt der IWV-Chef den Kern der Kritik in einem Gespräch dar. „Unsere Mitarbeiter sind auch Bürger von Leinfelden-Echterdingen“, sagt der Vorsitzende Carlheinz Weitmann. „ Sie fahren hierher, sie essen hier, sie kaufen hier ein.“ So weit, so bekannt. „Wir haben aber den Eindruck, dass bei der Gemeinde die große Idee oder der Masterplan fehlt, wo es hingehen soll.“

In Stuttgart-Vaihingen entstünden zigtausend Arbeitsplätze

Erster Punkt: Stillstand auf der Straße. Die Verkehrsinfrastruktur kollabiere, so der Vorwurf. Es fehle ein Lösungsansatz, der über die Gemarkungsgrenzen hinausreiche. So entstehen nördlich der Autobahn im Vaihinger Synergiepark zigtausend neue Arbeitsplätze. Vor wenigen Jahren arbeiteten dort 22 000 Menschen, dann ging eine Prognose von bald 30 000 aus, inzwischen ist die Rede von bis zu 40 000. Vorschläge, dem Herr zu werden, gibt es zwar in Stuttgart, ein Ausbau der dortigen Nord-Süd-Straße etwa, ein Parkhaus über der Autobahn oder eine Seilbahn. Südlich der Autobahn schaue man aber zu. Man müsse endlich die auch hier Nord-Süd-Straße genannte Ortsumfahrung zwischen Leinfelden und Echterdingen, die Steinenbronn mit der Autobahn verbindet, vorantreiben, um den Durchgangsverkehr aus den Orten zu halten. Und vor allem müsste man sich dabei mit den Nachbarn absprechen.

Zweiter Punkt: Stillstand in Sachen Mobilitätskonzept. Einst mit viel Vorschusslorbeeren gestartet, ist es ruhiger geworden um den Vorschlag, L.-E. in Sachen Fußgänger- und Radverkehr, Car-Sharing, Elektromobilität, Parkraummanagement, LKW-Lenkung und ÖPNV neu zu denken. Statt einen großen Wurf zu wagen, begnüge man sich mit der Umsetzung einzelner Punkte.

Dritter Punkt: Stillstand beim Einzelhandelskonzept Echterdingen, das seinen Namen eigentlich gar nicht verdiene. 2017 hatte ein Unternehmen im Auftrag der Stadt den Einzelhandel untersucht und damit die letzte Untersuchung von 2007 fortgeschrieben. Damals wie heute war die Empfehlung, den Ortskern attraktiver zu gestalten und eine Abwanderung von Supermärkten an die Ortsränder zu verhindern. Die Industrie- und Wirtschaftsvereinigung mutmaßt stattdessen, dass der Stau auf der Echterdinger Hauptstraße noch zunehme und der Einzelhandel darunter leiden werde.

OB Klenk: Eine lokale Lösung allein reiche nicht

„Es geht nicht um einen Masterplan, sondern darum, die Zusammenarbeit zu fördern“, sagt Oberbürgermeister Klenk. „Eine Finanzkrise – und der Masterplan ist futsch.“ Auch der Rathauschef ist der Meinung, dass „bei den Verkehrsproblemen eine lokale Lösung nicht möglich ist“. Man müsse mit dem Verband Region Stuttgart sprechen, und auch das Verkehrsministerium sei gefragt. In den kommenden Wochen habe er einen Gesprächstermin beim Regierungspräsidenten Wolfgang Reimer, „und ich will ihn bitten, für eine autobahnübergreifende Lösung Impulse zu setzen“. Doch eines sei in der Politik eben anders als in der Wirtschaft. „Wir haben klare Spielregeln, weshalb es manchmal länger dauert als anderswo.“