Bewohner eines Neubaugebiets in Leinfelden-Echterdingen klagen über hohe Heizkosten und sparen nicht mit Kritik an den Stadtwerken. Dort wiederum verweist man darauf, dass Hochmodernes eben koste.

Leinfelden - Vor der Haustür atmet der Wald. Makellos weiß strahlen nagelneue Häuser in der Sonne, Kinder toben auf dem extravaganten Spielplatz. Hier kann man sich wohlfühlen, und die Bewohner der mehr als 60 Wohneinheiten im Jakobsbrunnen in Leinfelden tun das wohl auch. Wäre da nicht das, was der Anwohner Thomas Adolph so beschreibt: „Wir haben das Gefühl, abgezockt zu werden.“

 

Adressat der Kritik sind die Stadtwerke. Die betreiben im Baugebiet, das auf dem einstigen Sportplatz in den letzten Zügen liegt, ein Blockheizkraftwerk auf Gasbasis, das die Haushalte mit Nahwärme versorgt. „Es soll sehr ökologisch sein“, erklärt Thomas Adolph. Bei den Heizkosten hört sein Lob aber auf. In den KfW-70-Energiesparhäusern zahlen die Mitglieder einer Eigentümergemeinschaft nach eigenen Angaben mehr als das Doppelte wie früher.

Laut ihren Unterlagen liegt der verbrauchsunabhängige Grundpreis bei mehr als 138 Euro pro Kilowatt und Jahr, der Arbeitspreis bei 9,44 Cent je Kilowattstunde brutto – und das auch erst nach einer deutlichen Preisreduzierung durch eine Verlängerung der Vertragslaufzeit auf 15 Jahre. Die Nachbarn monieren, nie Einblick in die Konditionen der Wärmelieferungsverträge erhalten zu haben, die der Bauträger mit dem Energieversorger abgeschlossen hatte. Die Männer haben bei anderen Stadtwerken recherchiert. In Tübingen würden nur knapp 38 Euro pro Kilowatt und Jahr Grundpreis und 7,24 Cent je Kilowattstunde fällig, anderswo seien die Preise ähnlich oder auch günstiger. „Wir zahlen einfach zu viel“, glaubt Stanislav Poletanovic – so wie andere Anwohner, die auf unsere Zeitung zugekommen sind. Auch Andrej Albrecht spricht von stark erhöhten Kosten, zudem funktioniere seine Nachtabsenkung nicht. „Man gibt viel Geld aus und denkt, dass man dann weniger Energie verbraucht, und dann so was.“ Er erwäge rechtliche Schritte.

Eine Sache lässt aufhorchen

In einer Mail, die unserer Zeitung vorliegt, bekennt der Leiter der Energiedienste, dass die Kosten im Jakobsbrunnen beim bis zu Doppelten gewachsener Netze liegen, allerdings hebt er auch die Vorteile eines heizungstechnischen Vollservices und des Klimaschutzes hervor. Was aufhorchen lässt: Bei der Bebauungsplanerstellung 2008 sei eine Quartiersversorgung für die Gebiete Jakobsbrunnen und Mohrenäcker untersucht worden, Nahwärme habe sich als umweltfreundlichste und günstigste Variante herausgestellt. Der Gemeinderat habe 2009 daher die Nahwärmeversorung beider Gebiete beschlossen – die Mohrenäcker wurden allerdings, bis auf die Kita, nie gebaut. „Hier liegt der wesentliche Grund für die Wärmepreise“, steht in der Mail. „Das Gebiet ist klein und der Wärmebedarf sehr gering. Die technischen Aufwendungen (...) sind aber recht hoch.“ Etwas weiter hinten heißt es: „Die Stadtwerke streben dabei einen kostendeckenden Betrieb an.“

Die Anwohner aus Leinfelden interpretieren das so, dass Kalkulationsfehler vorliegen. „Das ist ein starkes Stück“, sagt Thomas Adolph, „wir wollen nicht das unternehmerische Risiko der Stadtwerke tragen.“ Stanislav Poletanovic moniert: „Was auch immer vom Gemeinderat 2009 entschieden wurde, das Ding wurde erst 2016 gebaut.“

Die Stadtwerke weisen die Kritik zurück

Bei Peter Friedrich, dem Stadtwerke-Chef, hört sich das jedoch ganz anders an. „Es hat sich im Laufe des Baus was geändert, mag sein, dass da eine unwesentliche Erhöhung drinliegt“, sagt er, er betont aber: „Die Kunden, die da wohnen, müssen nicht für ungebaute Gebiete zahlen.“ Vielmehr zeigten sich zwischen einzelnen Wohneinheiten enorme Verbrauchsunterschiede. Peter Friedrich führt das etwa auf das Lüftungsverhalten zurück. Grundpreise ließen sich zudem nicht einfach so vergleichen. Für Neubaugebiete mit Nahwärme-Hightech müsse man eben mehr zahlen. Tatsächlich bestätigt der Sprecher der Stadtwerke Tübingen, die die Leinfeldener Eigentümer als eines von vielen günstigen Gegenbeispielen nennen, dass auch dort bei sogenannten Contracting-Modellen individuelle Preise angesetzt werden.

Laut Peter Friedrich liegen die Preise im Jakobsbrunnen „im unteren erhöhten Bereich“. Gleichwohl räumt er ein, dass aktuell überhaupt erst eine Schlussrechnung erstellt werde. „Wenn da rauskommt, dass wir exorbitante Gewinne machen, dann geben wir das weiter“, sagt er und stellt für diesen Fall Senkungen und Rückzahlungen in Aussicht. Die Eigentümergemeinschaft hat sich indes über den Hausverwalter an den Verbraucherschutz und das Landeskartellamt gewandt, sie argumentieren, es sei eine klassische Monopolstellung, die ausgenutzt werde. Thomas Adolph merkt an: „Wir können uns ja keinen Öltank hinstellen.“