Die Narren übernahmen am vergangenen Mittwoch die Herrschaft in Leinfelden. Dass der Rathaussturm klein ausfiel, begründen die Veranstalter mit zu hohen bürokratischen Hürden. Doch nicht nur die machen den Narren zu schaffen.

Leinfelden - Jeglicher Widerstand war zwecklos: Obwohl Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell sich im Kabuff versteckt hatte, fanden ihn die Gardemädchen beim Durchkämmen des Rathauses sofort. Und so musste er am vergangenen Mittwoch seine Herrschaft an die Gemeinschaft der Narren abtreten. Der Sitzungssaal wurde kurzerhand zum Gerichtssaal umfunktioniert, in welchem sich der Bürgermeister in Seilen gefesselt die Proklamation des Filderbauern anhören musste. Und diese war nicht leicht zu verdauen.

 

Die Mitglieder der Interessengemeinschaft Fasnet, in welcher sich die Siebenmühlental-Hexen, die Filderer und die Rebhehle zusammengeschlossen haben, stürmen jedes Jahr gemeinsam das Rathaus. Doch anders als in den vergangenen Jahren fiel der Sturm dieses Jahr klein aus: kein Miniumzug durch die Straßen, kein Aufstellen des Narrenbaums und keine große Fete auf dem Platz vor dem Rathaus. Damit wollten die Narren ein Zeichen setzen – gegen die Bürokratie.

Rathaussturm ist kaum publik

Denn es gäbe immer mehr Auflagen für Veranstaltungen, sagt Mirja Brosig: „Einerseits sicherlich zurecht: Falls was passiert, kann man sich mit den Auflagen schützen. Andererseits macht es das nicht leichter.“ Brosig ist Zunftmeisterin der Siebenmühlental-Hexen und damit auch mit der Planung des Rathaussturms betraut. Dem Schritt, das Fest zu komprimieren, gingen bereits vor ein paar Jahren erste Kappungen voraus. So flog früher eine Hexe über das Rathaus hinweg. Sie hing an Seilen von einem Kran. Doch nachdem es anderswo mit einem Kran zu Personenschäden gekommen war, stiegen die Auflagen ins Unannehmbare. Die IG Fasnet entschied deshalb, auf dem Boden zu bleiben.

Natürlich würden die Narren den bürokratischen Aufwand auf sich nehmen, um weiterhin besondere Darbietungen beim Rathaussturm auffahren zu können. Nur lohnen täte sich das kaum, denn: Immer weniger Bürger kommen, um mitzufeiern. „Vielleicht hat man sich in Leinfelden an dem Rathaussturm sattgesehen“, ätzt Brosig.

Da ist Miriam Reifmesser aus Leinfelden anderer Meinung. Sie kommt jedes Jahr mit der ganzen Familie, um sich das Spektakel anzuschauen: „Ich glaube, viele wissen gar nichts von der Veranstaltung.“ Die Mutter plädiert deshalb für mehr Werbung in Schulen und Kindergärten, um auf den Rathaussturm aufmerksam zu machen. Sie ist sich sicher, dass man auf diese Weise mehr Zuschauer anlocken könnte.

Für Mirja Brosig von den Siebenmühlental-Hexen steht fest: Man wird sich weiterhin für einen Rathaussturm einsetzen. „Vielleicht kommt ja auch von der Bevölkerung die Rückmeldung, dass etwas fehlt“, sagt die Zunftmeisterin. Doch nicht nur die Bevölkerung müsse mitspielen. Sie erwartet auch, dass die Stadt ihnen entgegenkommt.

Bürgermeister Kalbfell zeigt sich gesprächsbereit: „Wir sind froh um jeden, der sich mit anderen für andere ehrenamtlich engagiert. Wir vernehmen die Sorgen und Wünsche der Narren.“ Doch man müsse sich bewusst sein, dass man die Auflagen nicht einfach abschaffen könne.

Narretei ist ein begrüßenswertes Ehrenamt

Dessen sind sich die Narren bewusst, sagt Brosig; „Es sind ja oft Rahmenbedingungen, die vorgegeben werden. Man will uns ja nicht absichtlich Steine in den Weg legen.“ Und weil die Narren den Mitarbeitern der Stadt dankbar dafür sind, dass sie ihnen das Jahr über helfen, wollten sie mit dem Rathaussturm dieses Jahr insbesondere die Mitarbeiter bespaßen. Deshalb stürmten sie das Rathaus auch unter der Woche und nicht wie sonst an einem Samstag. Dennis Stegmayer, der im Rathaus arbeitet, freute sich darüber: „Eigentlich bin ich eher ein Faschingsmuffel. Aber mit solchen Veranstaltungen lockt man jeden hinter dem Kamin hervor.“

Trotzdem fand der Filderbauer in seiner Proklamation mahnende Worte: „Die Narren sind stinksauer.“ Damit es nächstes Jahr wieder ein lustiges Zusammentreffen gäbe, müsste nämlich auch die Stadtverwaltung mithelfen. Denn auf den Rathaussturm verzichten will keiner.