Mit seinem jüngsten Spruch über die Kernbrennstoffsteuer fällt Karlsruhe dem Fiskus bei der Erfindung neuer Steuern in den Arm. Das ist gut für alle Bürger, meint STZ-Korrespondentin Bärbel Krauß.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin/Karlsruhe - Einen Popularitätspreis bei den Bürgern wird das Bundesverfassungsgericht für sein jüngstes Urteil wahrscheinlich nicht bekommen. So unbeliebt wie die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke sind sonst nur wenige Wirtschaftszweige. Aber von Beliebtheitswerten, Abneigungen, gesellschaftlicher Akzeptanz oder anderen Stimmungsfaktoren darf das Verfassungsgericht sich natürlich nicht leiten lassen. Was zählt, ist das Gesetz. So hat Karlsruhe entschieden, dass die Brennelementesteuer, die die Bundesregierung im Hin und Her um den Atomausstieg 2011 eingeführt hat, nichtig ist und dass dies auch rückwirkend gilt. Dieser höchstrichterliche Spruch beschert den Stromkonzernen nun eine Rückzahlung von 6,3 Milliarden Euro plus Zinsen. Das lässt die Aktienkurse steigen. Es macht die Atomkraftgegner wütend; und viele Bürger ärgert auch, dass so viel Geld in die Kassen der betroffenen Unternehmen fließt, obwohl der Atomausstieg die Steuerzahler sowieso teuer zu stehen kommt.

 

Schelte haben die Karlsruher Richter gleichwohl nicht verdient. Der Atomausstieg wird zwar teuer, und die Steuerzahler müssen einen großen Teil der Last schultern, obwohl die Energieversorger jahrelang mit und an der Atomkraft sehr gut verdient haben. Aber am Ende des Atomzeitalters in Deutschland holt den Staat ein, dass beim Einstieg in die friedliche Nutzung der Kernenergie und noch lange danach eine völlig falsche Risikoeinschätzung und damit auch falsche Kostenkalkulationen für die nukleare Entsorgung zugrunde gelegt wurden. So ärgerlich es ist: Damit ist eine enge Auslegung des Verursacherprinzips im Umgang mit den atomaren Altlasten ausgehebelt.

Die Konsequenzen dieser Fehler müssen die Deutschen tragen, so wie sie mehrheitlich über viele Jahrzehnte hinweg die Nutzung der Kernenergie mitgetragen haben. Die Versuche, diese Lastenverteilung nachträglich noch einmal neu zu justieren – durch Entschädigungsforderungen der Unternehmen einerseits und durch die Steuerpolitik der Regierung andererseits –, hat das Bundesverfassungsgericht nun schon mit zwei Urteilen grundlegend zurückgewiesen.

Erfindung neuer Steuern nur in engen Grenzen erlaubt

Auch wenn nun unmittelbar „nur“ die betroffenen Konzerne von diesem Urteil profitieren, ist es in seinem Kern bürgerfreundlich. Denn das Bundesverfassungsgericht fällt den Regierenden beim Erfinden neuer Steuern in den Arm, und das ist eine gute Nachricht für alle Bürger. „Ein freies Steuererfindungsrecht kommt weder dem Bund noch den Ländern zu“, heißt es in dem Urteil klipp und klar. Will der Fiskus den Steuerzahlern neue Lasten aufbürden, muss er sich penibel an die Vorgaben der Finanzverfassung halten, dies ist die aktuelle Botschaft aus Karlsruhe.

Die Anforderungen an eine Verbrauchersteuer – als solche wurde die Kernbrennstoffsteuer deklariert – sehen die Richter in ihrer Mehrheit nicht erfüllt. Der Bund hat außerdem nach ihrem Verständnis des Grundgesetzes nicht das Recht, eine solche Steuer einzuführen. Das Verfassungsgericht stuft die Finanzverfassung in diesem Urteil als Eckpfeiler des Staates ein. Schlampereien im Umgang mit ihren Vorgaben lässt es nicht durchgehen: weil sonst Sand ins Regierungsgetriebe zwischen Bund und Ländern zu geraten droht und zum Schutz der Bürger vor der Begehrlichkeit des Staates.

Die Gier des Fiskus bleibt eine latente Gefahr

Allerdings sehen zwei Richter das fundamental anders als ihre Kollegen. Sie tragen zwar aus formalen Gründen mit, dass die Brennelementesteuer verfassungswidrig und nichtig ist, weil die Zustimmung des Bundesrats nicht eingeholt wurde. Aber sie schreiben dem Fiskus deutlich größere Freiheiten beim Schaffen neuer Steuern zu. Wie nachhaltig und konsequent Karlsruhe die Bürger auch künftig vor der Gier des Fiskus schützt, ist deshalb leider unklar.