Egal was Lena Strobel, 26, gearbeitet hat, sie wollte immer was mit den Händen machen. Im Interview erklärt sie, warum der Spruch „Handwerk hat goldenen Boden“ nach wie vor gilt und wie sie in einem Männerberuf klarkommt.

Lokales: Tom Hörner (hör)

Stuttgart - Lena Strobel ist Bundessiegerin im Glaserhandwerk. Zuerst hatte sie frelich einen ganz anderen Berufsweg eingeschlagen. Davon profitiert die 26-Jährige auch heute noch.

 

Frau Strobel, als Sie mal jemand aus Versehen die Sicht versperrten, haben Sie da den Satz gehört: „Ist dein Vater Glaser?“

Nur einmal. Das waren Bekannte, die nicht wussten, dass mein Vater wirklich Glaser ist. Meine anderen Freunde haben sich den Gag gespart.

Inwiefern hat Ihr Vater bei Ihrer Berufswahl eine Rolle gespielt?

Als ich mit der Realschule fertig war, schlug er vor, dass ich das Abi machen soll. Für eine Glaserausbildung, meinte er, sei ich mit 17 noch zu jung. Ich wollte aber kein Abi machen und habe eine andere Ausbildung angefangen.

Nämlich?

Physiotherapeutin. Ich habe vier Jahre in dem Beruf gearbeitet. Ich mochte die Arbeit, aber habe für mich beschlossen, dass ich das nicht ewig machen will – und kam dann zum Glaserhandwerk. Als ich das meinem Vater gesagt habe, ist er vor Freude aus allen Wolken gefallen.

Ihre Ausbildung haben Sie im elterlichen Betrieb in Ludwigsburg gemacht. Ist das klug, ständig unter familiärer Aufsicht?

Wenn ich sofort nach der Mittleren Reife im Glaserhandwerk gelandet wäre, hätte ich das nicht gemacht. Und mein Vater hätte das auch gar nicht gewollt. Bei uns macht gerade der Sohn eines anderen Glasers eine Ausbildung. Es ist eigentlich ganz vernünftig, mal einen anderen Betrieb von innen kennenzulernen. Aber da ich schon etliche Jahre in einem anderen Betrieb gearbeitet habe, wenn auch in einer anderen Branche, war das okay.

Sie sind Bundessiegerin im Glaserhandwerk. Ein tolle Auszeichnung. Ist das vergleichbar mit einem Olympiasieg?

Naja, es ist auf jeden Fall das Beste, was man als Lehrling erreichen kann.

Eben haben Sie vor Lehrlingen an der Gewerblichen Schule für Holztechnik in Feuerbach gesprochen und ihnen erklärt, worauf es bei so einem Wettbewerb ankommt.

Ich wollte sie motivieren, doch auch bei einem Wettbewerben mitzumachen, und ihnen die Angst davor nehmen. Außerdem wollte ich ihnen erklären, dass es wichtig ist, sich bei Prüfungen im Handwerk nicht zu verheben und nicht etwas fürchterlich Kompliziertes zu machen. In meiner Gesellenprüfung habe ich ein schlichtes Fenster mit einem Flügel gebaut. Beim Landeswettbewerb war dann ein zweiflügeliges Fenster die Vorgabe, dort konnte ich mir nichts aussuchen. Lieber ein einfacheres Stück, aber das makellos.

Was reizt Sie am Werkstoff Glas?

Glas ist unglaublich vielseitig. Es gibt durchsichtiges, satiniertes, bemaltes, perforiertes Glas. Außerdem arbeite ich ja nicht nur mit Glas, sondern auch mit vielen anderen Materialien, beispielsweise mit Holz. Im ersten Lehrjahr ist unsere Ausbildung gar nicht so sehr anders als die der Schreiner. Als Glaser bist du in erster Linie Fensterbauer. Und Fenster haben mich schon immer begeistert. Die sind unheimlich wichtig für den Charakter eines Hauses.

Sie arbeiten in einem Männerberuf. Wie kommen Sie damit klar?

Indem ich viel nach Hilfe rufe. Nein, ganz im Ernst, ich bin die einzige Frau in der Produktion bei uns, aber das ist kein Problem. Natürlich höre ich manchmal: „In deinem Alter hätte ich das locker gehoben.“ Aber das ist Spaß. Die meisten Fenster, mit denen wir zu tun haben, sind so schwer, die können auch gestandene Männer nicht alleine stemmen.

Beim Lupfen hilft Ihr Physiowissen?

Klar, ich kann deshalb zwar nicht mehr tragen, aber ich weiß, wie man es richtig macht. Manchmal weise ich auch Kollegen darauf hin, wie man etwas rückenschonend heben kann. Und weil sie wissen, was ich früher beruflich gemacht habe, kommen sie auch mal mit ihren Wehwehchen zu mir. Außerhalb der Firma bei Kunden werde ich nicht immer sofort als Frau erkannt.

Wie das?

Weil ich unsere Firmenklamotten trage, und die sind eigentlich für Männer gemacht. Da ich bei der Arbeit nicht geschminkt bin und die Haare hochgesteckt habe, gehe ich im ersten Moment oft als junger Mann durch. Aber eine Frau im Betrieb tut dem Klima sicher gut. Ich fühle mich jedenfalls akzeptiert, aber weiß natürlich nicht, ob es daran liegt, dass ich gut bin – oder weil ich die Tochter des Chefs bin.

Das altes Sprichwort behauptet: Handwerk hat goldenen Boden. Hat das Ihrer Meinung nach noch Gültigkeit?

Das glaube ich schon. Vor allem, was das Handwerk in Deutschland angeht. Das ist eine eigene Marke. Unser Problem ist, dass die Auftragslage gut ist, aber die Arbeitskräfte fehlen.

In den Klassen, vor denen Sie eben gesprochen haben, saßen auch etliche Flüchtlinge.

Das ist im Handwerk inzwischen üblich. Die Leute sind meist motiviert. Sie sind pünktlich, zuverlässig, aber sie haben Probleme in Fächern wie Mathe, weil man das in ihrer Heimat eben nicht so lernt. Aber das Hauptproblem ist die Sprache. Insofern verstehe ich nicht, dass Flüchtlinge an der Berufsschule auch Englisch lernen müssen. Für einen deutschen Lehrling mag das wichtig sein. Aber bei Flüchtlingen fände ich es sinnvoller, wenn die Deutsch lernen würden.

Was hat Sie an der Ausbildung am meisten begeistert?

Mit wie vielen unterschiedlichen Materialien ich in Berührung kam und komme, aber das liegt sicher auch daran, dass unser Betrieb keine Fließbandarbeit macht. Es gibt Fensterrahmen aus Holz, aus Kunststoff, aus Aluminium – oder solche, in denen die Materialien kombiniert sind. Mit all diesen Werkstoffen umgehen ist eine Herausforderung.

Wenn Sie in zwei, drei Sätzen für das Glaserhandwerk Reklame machen müssten, worauf würden Sie da abheben?

Wie gesagt: Auf die Vielfalt der Werkstoffe. Außerdem können sich Leute bei der derzeitigen Lage die Betriebe aussuchen. Und die Möglichkeiten der Fortbildung in dem Beruf sind enorm: Wir haben Leute, die besuchen Kurse für Elektriker, damit sie Rollläden anschließen können.

Waren Sie eigentlich als Kind schon handwerklich interessiert.

Klar, ich habe genäht und gestrickt. Ich habe immer gern was mit den Händen gemacht. Auch die Physiotherapie hat ja viel mit Handwerk und Handarbeit zu tun.