Bei der Lenkungskreissitzung gibt es nur beim Stresstest eine Annäherung. Die Projekt- und Risikokosten sind nach wie vor unklar.

Stuttgart - In der ersten Lenkungskreissitzung seit zehn Monaten soll laut den Beteiligten "sachlich und in fairem Ton" verhandelt worden sein. Doch nur beim Stresstest gibt es eine Annäherung. Die Projekt- und Risikokosten sind nach wie vor unklar, die von der Bahn skizzierten Folgen eines Baustopps beim Innehalten bis zur Volksabstimmung im Oktober (36 Monate und 410 Millionen Euro) vermag die Landesregierung auch nicht nachvollziehen.

 

Ausschreibung: Die Bahn geht bei einem Baustopp bis Oktober davon aus, die Ausschreibungen für den Tiefbahnhof und die Tunnels aufheben zu müssen. Der Zeitbedarf für die Überarbeitung und die Neuausschreibung der Vergabepakete betrage etwa eineinhalb Jahre. Acht Monate würden bis zur Ausschreibung benötigt, zehn Monate betrage der Zeitbedarf der Bieter zur Kalkulation und zur Prüfung und Verhandlung der vorgelegten Angebote. Projektgegner weisen darauf hin, dass für die Wiederholung einer Ausschreibung der Zeitbedarf deutlich geringer sein dürfte, und auch eine Verlängerung der bisherigen Ausschreibung denkbar ist, falls die Bieter mitmachten. Bereits 19 Monate vor dem Fahrplanwechsel müssten dann alle baubetrieblichen Vorabstimmungen abgeschlossen sein und eine konkrete Sperrpausen-Bedarfsanmeldung vorgelegt werden.

Kosten: Aus der Verzögerung ergeben sich laut Bahn Risiken von rund 410 Millionen Euro - ohne die Gefahr höherer Marktpreise berücksichtigt zu haben. Kalkuliert sind 45 Millionen Euro Zusatzkosten für Projektmanagement und Planung, 95 Millionen Euro für betriebliche Mehraufwendungen und Einnahmeverluste sowie 100 Millionen Euro, die die Stadt Stuttgart als Strafzins für die verspätete Bereitstellung der Bahnflächen in Rechnung stellen würde. Auf 170 Millionen beliefen sich die Inflationskosten und Regressforderungen.

Darüber herrscht allerdings Uneinigkeit. Der Stuttgarter Rechtsanwalt Christopher Hebel erinnerte kürzlich an das Gutachten des renommierten Vergaberechtlers Hans-Peter Kulartz, in Auftrag gegeben von den Grünen im Rahmen der Schlichtung. Demnach ist die Bahn bei Ausschreibungen nicht an die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) gebunden. Als öffentliches Infrastrukturunternehmen sei die weniger strenge Sektorenverordnung anzuwenden; um eine Ausschreibung zu beenden, ohne schadenersatzpflichtig zu werden, genüge laut Hebel "ein plausibler Grund" wie etwa die politisch unklare Lage. Er erinnert daran, weil unlängst die von einem Baustopp betroffene Firma Züblin den Eindruck erweckte, die Bahn sei an die VOB gebunden.

Die Kostenhöhe variiert bei der Bahn. Der Vorstandschef Rüdiger Grube bezifferte bisher die Steigerung der Projektkosten durch einen Baustopp auf etwa zehn Millionen Euro pro Monat, Kefer selbst bezifferte die Erhöhung der laufzeitunabhängigen Projektkosten sowie die Preissteigerung auf 40 Millionen Euro pro Jahr. Ein Risikoszenario des Konzerns, das dem "Stern" aktuell zugespielt wurde, geht bei einem Innehalten bis September aber lediglich von 149 Millionen Euro aus.

Stresstest: Hier sind sich am Montag Bahn und Landesregierung einig geworden, einen von beiden Seiten abgesegneten Fahrplanentwurf für 49 Züge in der Spitzenstunde zwischen sieben und acht Uhr testen zu wollen. Anders als in der Schlichtung vereinbart worden war, nämlich den als "Angebotskonzeption 2020" gepriesenen Fahrplan mit neun durchgebundenen Linien zur Grundlage der Simulation zu machen, hatte sich die Bahn auf einen neuen "Zukunftsfahrplan" verlegt. Dieser soll für Fahrgäste und für das Land als Besteller der Züge viele Nachteile haben. Ursächlich für diesen unabgestimmten Fahrplanwechsel sind die Probleme der Bahn, 30 Prozent mehr Züge im Tiefbahnhof in der Spitzenstunde abzufertigen als heute - und zwar in "guter Betriebsqualität".