Auf dem Areal der insolventen Papierfabrik Scheufelen soll noch vor Ostern ein neues Technikum in Betrieb gehen. Dort sollen Produkte aus Holz bis zur Industriereife entwickelt werden. Die Gemeinde hofft auf entscheidende Impulse.

Lenningen - Die Würfel sind gefallen: Das geplante Laubholzinstitut kommt nach Oberlenningen. Das hat die grün-schwarze Regierungskoalition in Stuttgart beschlossen. Der Haushaltsplanentwurf enthält als Anschubfinanzierung in den nächsten zwei Jahren 30 Millionen Euro für das Projekt. Zwar muss der Landtag bei der Haushaltsverabschiedung Mitte Dezember noch seinen Segen geben, doch gilt die Zustimmung als sicher.

 

Erdöl soll in Produkten durch Laubholz ersetzt werden

In dem neuen Technikum Laubholz wird an innovativen Verwendungsmöglichkeiten von Laubholz in der industriellen Fertigung getüftelt. Das Ziel ist es, Erdöl als fossilen Rohstoff zu ersetzen. Die möglichen Anwendungsbereiche sind vielfältig. So ist beispielsweise an die Entwicklung von Carbonfasern für die Automobilindustrie gedacht. Verpackungen könnten ebenso auf der Basis von Laubholzfasern hergestellt werden wie Kosmetika, Textilien, Biotenside oder Verbundwerkstoffe.

„Damit betreten wir Neuland für die Bioökonomie. Wir verbinden mit dieser hochwertigen Nutzung des nachwachsenden Rohstoffs Holz Ökonomie und Ökologie“, sagte am Donnerstag bei der Bekanntgabe der Entscheidung der grüne Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz.

Partner aus der Wirtschaft beteiligen sich

Mit im Boot sind Partner aus der Wirtschaft. Andreas Schwarz zufolge gibt es bereits eine Zusage der Firma Greencycle. Das Unternehmen der Schwarzgruppe werde das Technikum Laubholz unterstützen und begleiten. Auch der Faserstoffhersteller Rettenmaier aus dem Schwäbischen Wald sei beteiligt.

In dem Zentrum, das noch vor Ostern auf dem Gelände der Papierfabrik Scheufelen in Betrieb gehen soll, werden auch die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf ihr Know-how einbringen. Den DITF ist es im Labormaßstab bereits gelungen, aus Buchenzellstoff mit einem neuen Verfahren Carbonfasern herzustellen. Daran anknüpfend sollen dann in Lenningen Produkte bis zur Marktreife entwickelt werden.

Minister: Investitionen von 100 Millionen Euro möglich

In der Standortfrage setzte sich Lenningen gegen zwei Mitbewerber durch. Gegenüber der Presse erläuterte der Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Peter Hauk (CDU), die Entscheidung. Für Lenningen hätten ganz klar „objektive Kriterien“ gesprochen. Da ist zum einen das bereits industriell vorgenutzte Gelände der insolventen Papierfabrik. Ein direkter Bahnanschluss ist zum anderen ebenso vorhanden wie eine Kläranlage und eine Wasserversorgung, die der Dimension dieses Projekts standhält.

Peter Hauk zufolge werden Arbeitsplätze zunächst im „niedrigen zweistelligen Bereich“ entstehen. Erwartet wird, dass mit der Zeit viele weitere neue Arbeitsplätze folgen. Denn rund um das Technikum soll ein Cluster von Start-ups für neue Produkte aus Laubholz entstehen. „Ob es am Ende mehrere hundert Arbeitsplätze werden, weiß ich nicht. Das hängt auch von der Marktdurchdringung des gesamten Projekts ab“, so Peter Hauk. „Erste Erfolge am Markt wollen wir bereits in zwei bis drei Jahren sehen“, gibt der Minister das Tempo vor. Das Land baut darauf, dass sich weitere Investoren in das Projekt einklinken. Das Investitionspotenzial wird für die nächsten acht Jahre mit 100 Millionen Euro angesetzt.

Bürgermeister hofft auf Entwicklungsimpulse

„Natürlich ist das ein Glücksfall – nicht nur für Lenningen, sondern für die ganze Region“, freut sich der Lenninger Bürgermeister Michael Schlecht über den Zuschlag. „Da kann richtig was entstehen in dieser Gemeinde.“ Der Schultes hofft auf Entwicklungsimpulse für das eher strukturschwächere Lenninger Tal, nachdem mit Scheufelen der ehemals mit weitem Abstand größte Arbeitgeber endgültig in die Knie gegangen ist. Auf dem insgesamt rund 20 Hektar großen Areal ist neben einer gewerblichen Nutzung künftig auch die Schaffung von Wohnraum vorgesehen.

Laut dem Kirchheimer Landtagsabgeordneten Karl Zimmermann (CDU) wird das neue Laubholzinstitut in dieser Form „weltweit einzigartig“ sein. Für Andreas Schwarz ist das Vorhaben mit Blick auf den Klimawandel und den dringend notwendigen Klimaschutz auch der Beleg dafür, „dass diese Koalition sehr vernünftige Sachen zustande bringt“. Karl Zimmermann fügt hinzu: „Dass hier in Lenningen einmal ein Wissenschaftsstandort entstehen würde, hätte niemand gedacht.“