Trotz Nachbesserungen fallen die Pläne im Gemeinderat noch immer durch.

Leonberg - Am Ende ist Bernhard Schuler gar keine andere Möglichkeit geblieben. „So können wir nicht mit einem Bebauungsplanverfahren beginnen“, beschloss der Oberbürgermeister die Diskussion über Veränderungen am Glemseck. Der offene Jugendstrafvollzug Seehaus, das Hotel Glemseck, das von der Seehaus-nahen Stiftung Hoffnungsträger geführt wird, und der ADAC wollen auf ihren Grundstücken erweitern oder umbauen. „Die Größe des Geländes rechtfertigt es, dort einen Bebauungsplan zu erstellen“, hatte Planungsamtsleiter Peter Mauch zu Beginn einer Sitzung des Planungsausschusses erklärt.

 

Allein der ADAC-Verkehrsübungsplatz sei groß genug dafür. Der Automobilclub hatte das Verfahren ins Rollen gebracht und ein Planungsbüro mit Vorarbeiten betraut. In einem Bebauungsplan wird festgelegt, welche Bauweisen und Nutzungen für ein bestimmtes Gebiet erlaubt sind. Warum es bislang keinen gibt? Das Glemseck samt Mahdentalsiedlung ist so genannter Außenbereich der Stadt. Und: es ist im Landschaftsschutzgebiet.

In der Mahdentalsiedlung darf sich nichts verändern

Doch die Vorhaben stoßen nicht auf ungeteilte Zustimmung. Der Hauptgrund: Man könne an dieser exponierten Stelle keinen großen Um- und Ausbau genehmigen, wenn den Bewohnern der Mahdentalsiedlung nebenan nicht einmal gestattet ist, eine Dachgaube zu bauen. Dazu müsse man sensibel umgehen mit der Natur.

Bereits im Januar hatten die Beteiligten ihr Vorhaben im Ausschuss präsentiert und einige Hausaufgaben mit auf den Weg bekommen. Diese sahen die Räte aber nur teilweise als erfüllt an. Am besten kam noch das Seehaus weg, das nach Osten hin einen Neubau für eine Wohngruppe und Verwaltungsräume plant. „Wir müssen dran denken, was aus dem Seehaus geworden wäre, wenn Tobias Merckle und sein Verein es nicht gekauft und erhalten hätten“, sagte SPD-Fraktionschefin Christa Weiß.

Kein Verkehrsplatz mehr im Landschaftsschutzgebiet

Unbenommen dessen sei die Bedeutung des Glemsecks für de Stadt und die Motorsportfreunde der Region, die zu Tausenden zu Veranstaltungen wie dem „Glemseck 101“, dem Solitude-Revival auf der ehemaligen Formel-1-Rennstrecke oder auch den Bikertreffs ins Mahdental strömen. Den ADAC-Übungsplatz, mittlerweile mehr als 50 Jahre alt, würde man heute wohl nicht mehr ins Landschaftsschutzgebiet bauen, so Birgit Suckut (Grüne).

„Keiner zwingt uns, das Seehaus und das Hotel in den Bebauungsplan aufzunehmen“, sagte Gabriele Ludmann (CDU). Merckle, das Seehaus und die Hoffnungsträger-Stiftung hätten beim Kauf des Hotels gewusst, auf was sie sich da einlassen. Ein Anbau für 70 Betten sei eine Hausnummer. Auch viele ungenaue Angaben oder noch nicht festgelegte Nutzungen sorgten für Unmut. „Dann müssen wir auch die Anwohner drum herum etwas bauen lassen, sonst wird das ungerecht“, befand Gerhard Schwarz (CDU). Das sehen auch die Menschen dort so. „Wenn es einen Bebauungsplan gibt, dann sollten auch unser Gartencenter und die Siedlung mit rein“, sagt Birgit Kriesten-Ploppa vom Gartencenter Kriesten, das sich direkt neben dem ADAC-Platz befindet. Die Häuser der Siedlung seien sehr alt. Auch wenn ihr Unternehmen derzeit keine Erweiterungspläne habe, wisse man nicht, was in zehn Jahren sei. „Wir kommen mit allen sehr gut aus, aber wir möchten nicht abgehängt werden.“

Das plant das Seehaus

Das ist geplant
Der Seehaus-Verein will nach Osten hin erweitern und erwirbt dafür eine Fläche vom ADAC. Damit soll auch verhindert werden, dass es Eingriffe in den Wald gibt. Geplant ist ein weiteres Gebäude mit einer Wohneinheit und Verwaltungsräumen. Der offene Jugendstrafvollzug in freien Formen ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Derzeit wohnen 21 Jugendliche in drei Wohngruppen und werden dort von Wohneltern und jeweils zwei Sozialarbeitern betreut. Insgesamt hat das Seehaus 60 Mitarbeiter, etwa in der Verwaltung und der Berufsausbildung. Neue Angebote wie der Wald- und Tierkindergarten sind dazu gekommen, außerdem ist der Verein in die Arbeit mit minderjährigen Flüchtlingen eingestiegen.

Kritik
Grundsätzlich wurde die Seehaus-Arbeit für die Jugendlichen, aber auch der Erhalt des historischen Gebäudes gelobt. Schwierig sei es aber, dass es im Neubau Wohnraum geben soll. Das sei gegenüber den Menschen der Mahdentalsiedlung nur schwer zu rechtfertigen.

Das plant das Hotel Glemseck

Das ist geplant
Um das Hotel zu erhalten, soll das marode Gebäude saniert werden. Das Hauptgebäude soll dieses Jahr dran kommen. Der Bettenanbau soll dagegen abgerissen und neu gebaut werden, auf dem Gelände, auf dem sich bislang der Parkplatz befindet. Zusammen ergibt das dann 100 Betten Kapazität. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sollen drei gläserne Pavillons entstehen, die Exponate aus dem Porsche-Museum oder andere Erinnerungsstücke an die große Solitude-Zeit zeigen.

Kritik
Die Pavillons fielen bei den meisten Gemeinderäten durch. Beim Hotel wurde vor allem die Größe des neuen Anbaus kritisiert. Wolfgang Schaal nannte es einen „Riesenkasten“ im Glemstal. Fraglich ist auch, ob der Parkplatz überhaupt genügend Platz für den Anbau bietet, sagte Birgit Suckut (Grüne). Die meisten Fragezeichen setzten die Räte hinter die Bettenzahl. Zwar beruft sich die Hoffnungsträger-Stiftung auf ein Hotelgutachten, das 120 bis 130 Zimmer empfiehlt. „Die Hotels in Leonberg sind derzeit nur zu 45 Prozent ausgelastet. Ich sehe nicht, dass ein Bedarf an 100 Betten besteht“, sagte Dieter Vestner (Freie Wähler). Ein Hotel im Stadtumbaugebiet (Postareal) hatte der Aussschuss im Januar erst abgelehnt.

Das plant der ADAC

Das ist geplant
Hier gibt es die größten Veränderungen. Der mehr als 50 Jahre alte Platz soll komplett erneuert und neu aufgeteilt werden. Der Eingangsbereich soll mit neuen Gebäuden neu gestaltet werden, die sich optisch an den historischen Start- und Zielturm anlehnen sollen. Die Zufahrt von der Boxengasse entfällt. Dort soll ein Eventbereich mit Bistro entstehen. Eine neue Zufahrt vom Hotel Glemseck her ist angestrebt, damit es zur Anfahrt künftig nur noch einen Verkehrsknotenpunkt gibt. Dazu kommen weitere Betriebsgebäude, die noch nicht genauer definiert sind.

Kritik
Bleibt genug Raum für den historischen Solitude-Turm? Da gehen die Meinungen auseinander. „Weitere Gebäude dort in exponierter Lage kommen für uns nicht in Frage“, sagte Wolfgang Schaal (Freie Wähler), die CDU dagegen fand die Pläne gut. Die neue Zufahrt über die Glemswiesen wurde abgelehnt. Drastische Worte fand Birgit Suckut (Grüne): „Man verkauft uns hier für dumm. Hier ein Eckchen, dort ein Eckchen. Und ruckzuck ist alles voll.“ Aus einem kleinen Bistro könnte schnell ein Restaurant mit Eventfläche werden. Und damit sich das lohne, müsse dann wiederum noch mehr geboten werden.

Kommentar: Ausgebremst

Ulrike Otto

Die Umbau-Pläne für das Glemseck sehen auf den ersten Blick gut aus. Das Seehaus als offener Jugendvollzug ist etabliert und verzeichnet Erfolge, der Verein wächst. Die verwandte Stiftung Hoffnungsträger hat das gegenüberliegende Hotel gekauft, will es modernisieren und in die Seehaus-Arbeit einbringen, dazu auch an die gute alte Rennstrecken-Ära erinnern und neue Besucher ins Motorsport-Mekka locken. Und der viel genutzte ADAC-Übungsplatz braucht eine Generalüberholung und ein zukunftsträchtiges Konzept.

Das alles wäre kein Problem, wäre das Glemseck nicht dort, wo es ist – im Landschaftsschutzgebiet Glemswald. Es ist richtig, dass der Gemeinderat in Sachen Bebauungsplan wieder einen Schritt zurückgeht. Denn man kann das Glemseck nicht losgelöst von der benachbarten Mahdentalsiedlung betrachten. Das ist den Menschen dort nicht vermittelbar.

Dennoch bedeutet es, dass es am Ende wenigstens einen Verlierer geben wird. Die Frage ist nur: Welcher? Wird es der Naturschutz sein? Die Anwohner, die weiter keine Veränderungen an ihren Häusern vornehmen dürfen? Einer oder alle drei Projektpartner, die nicht oder erst sehr verspätet bauen dürfen? Doch das heikle Verfahren wird sich vermutlich eher noch länger hinziehen als es ohnehin schon dauert. Denn im September wird ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Bis dahin wird vermutlich nichts entschieden. Ein Schicksal, das auch noch andere Projekte ereilen könnte.