Die Stadt will im Gebiet Niederhofen zwei Gebäude für bis zu 64 Menschen bauen. Das Areal liegt nahe an der Glems. Doch die Anwohner verrennen sich bei der Info-Veranstaltung in Ressentiments gegen Ausländer.

Leonberg - Es wirkt ein wenig schizophren auf den Betrachter. Da sitzen rund 60 Senioren im Edith-Stein-Haus zusammen bei Kaffee und Kuchen, lauschen aufmerksam dem Vortrag des Leonberger Oberbürgermeisters Bernhard Schuler zum Thema Flüchtlinge und beklatschen das Engagement der Stadt in dieser Sache. Viele von ihnen haben als Kinder und Jugendliche nach dem Zweiten Weltkrieg selbst Flucht und Vertreibung erlebt. Umso mehr hoffen sie, dass es heutigen Flüchtlingen besser ergeht, als ihnen damals.

 

Nur einige Stunden später, bei der Infoveranstaltung der Stadt zur geplanten Notunterkunft für eben jene Flüchtlinge, die in der Riedstraße entstehen soll, ein gegenteiliges Bild. Die Anwohner, die bei dem geplanten Standort an der Glems mit dem Thema Hochwassergefahr das beste Argument gegen eine Bebauung auf ihrer Seite haben, verrennen sich stattdessen in Ressentiments gegen bestimmte Nationalitäten und ethnische Gruppen.

Stadt hat nicht genügend eigene Unterkünfte

Doch worum geht es eigentlich? Die Stadt Leonberg muss immer mehr Menschen in städtischen Unterkünften unterbringen. Zum einen nimmt sowohl die Zahl der Menschen zu, die ihre Wohnung verlieren, als auch die Zahl der Flüchtlinge. In der Regel kommen Letztere nach Leonberg, wenn sie nach einem Asylantrag eine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung bekommen haben. Das Problem: Die Stadt hat nicht mehr genügend eigene Unterkünfte. Also will sie neue bauen. So sollen noch in diesem Jahr neben der Strohgäuhalle in Höfingen zwei Gebäude für maximal 64 Menschen, vornehmlich Familien entstehen. Für eine weitere ähnliche Unterkunft haben die Stadtplaner nun ein Grundstück im Gebiet Niederhofen ausgesucht, direkt hinter dem Bolz- und dem Spielplatz.

Die Anwohner des Gebietes sind von dem Vorhaben alles andere als begeistert, wie sie bei einer Informationsveranstaltung der Stadt deutlich zum Ausdruck brachten. Der erste Kritikpunkt: die Grünfläche liegt an der Glems. Nach Angaben der Stadt ist der Teil, auf dem die Gebäude errichtet werden sollen, nicht als hochwassergefährdet eingestuft. Das belegen die Stadtplaner mit Hochwasserkarten, auf denen es neben der Riedstraße tatsächlich eine kleine grüne Insel im vielen Blau gibt. Eine Frau hat Fotos mitgebracht. Sie zeigen das Areal nach dem massiven Starkregen im vergangenen September. „Sehen Sie, wie das Wasser da steht. Bei Regen läuft die Glems über. Nicht mal die Kinder können dann noch dort spielen“, sagt sie. „Das ist ein Sumpfegebiet, da baut man nicht.“ Die Stadtplaner verweisen darauf, dass aufgeschüttet wird und die Unterkünfte ebenerdig zur Riedstraße errichtet werden. „Wenn Sie das richtig machen wollen, kostet das ein Schweinegeld“, meint ein Anwohner.

Diskussion driftet schnell ab

Doch dann driftet die Diskussion schnell ab, wird teilweise sogar persönlich. „Würden Sie neben so eine Bebauung ziehen?“, fragt ein Bürger den Ersten Bürgermeister Ulrich Vonderheid. Wer bezahle den Wertverlust der Immobilien? Wo sollen die Kinder betreut werden? Warum können bestehende Unterkünfte wie am Aldi-Kreisel nicht einfach ausgebaut werden? Wieso baut die Stadt nicht woanders, etwa am Sportplatz des TSV Eltingen? Jemand nennt das Vorhaben „lächerlich“, ein anderer die ganze Veranstaltung ein „Kasperletheater“. Die Mütter würden sich mit ihren Kindern nicht mehr auf den Spielplatz trauen, ganz schnell habe man Kriminalitätsverhältnisse wie in Stuttgart. „Wer kann für meine Sicherheit garantieren, wenn ich um sechs Uhr morgens dort im Dunkeln vorbei gehen muss?“, fragt eine junge Frau.

Dabei haben einige der Anwohner selbst einen Migrationshintergrund. „Niederhofen ist die lebende Integration“, meint einer. Dennoch ist er gegen den Bau. „Die Kapazitäten sind erreicht.“ Am Ende sind die Fronten verhärtet. Weder die Ansprache der Vorsitzenden des Arbeitskreises Asyl, Heidi Fritz, die mit ihren Mitstreitern Flüchtlinge ehrenamtlich betreut, noch die durch Fakten belegbare Not, die die Stadt zu schnellem Handeln zwingt, dringen zu den kritisch gestimmten Anwohnern durch. „Sie haben niemanden überzeugt“, sagt ein Anwohner zum Schluss.