Auf der Bühne der fast ausverkauften Stadthalle Leonberg präsentierte das Theater Liberi das Märchen „Aschenputtel“ in einer gelungenen Vorstellung als Musical für die ganze Familie.

Leonberg - Die Zeit „zwischen den Jahren“ gehört traditionell auch den Märchen, und ganz weit oben in den Märchen-Charts rangiert Aschenputtel aus der Sammlung der Gebrüder Grimm in vielerlei Variationen. Die tschechische Fernsehproduktion von 1973, „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, ist sicher die bekannteste und läuft mittlerweile beinahe ebenso häufig an den Weihnachtstagen über den Bildschirm wie „Dinner for one“ an Silvester. Da muss eine Musical-Produktion zum gleichen Thema besonders gut sein, um in dieser märchendichten Zeit die Theaterhäuser zu füllen. Liberi, das Bochumer Theater für Kinder, hat das in Leonberg geschafft.

 

Das große und kleine Publikum war am Ende begeistert von der modernen Inszenierung des Märchens, dessen erste Spuren sich schon weit vor den Gebrüdern Grimm bei den Griechen und Römern finden. Wer eine Inszenierung dicht an der bekannten Vorlage mit Schlüsselsätzen wie „Die guten (Linsen) ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ oder „Bäumchen, rüttel und schüttel dich. Wirf Gold und Silber über mich“ erwartet hatte, wurde enttäuscht. Liberi schreibt, komponiert und inszeniert nach eigenen Ideen. Die künstlerische Gesamtleitung hat Lars Arend. Der kindgerechte Text und das klare Konzept für das Musical „Aschenputtel“ stammte aus der Feder von Helge Fedder. Die Musik haben die im Jazz beheimateten Musiker Christoph Kloppenburg und Christian Becker geschrieben und den Geschmack junger und älterer Zuschauer getroffen. Dabei war die Inszenierung augenscheinlich weit entfernt von den geläufigen Erzählungen, aber in ihrer Einfachheit doch so nah am roten Faden, dass die Geschichte begeisterte.

Das Mini-Ensemble aus vier Musicalspezialisten spielte großes Theater in sieben Rollen. Sophie Blümel bekleidete einzig die Rolle des Aschenputtels, das aber umso variationsreicher. Sie spielte authentisch die von der Stiefmutter und deren hässlicher und ungehobelter Tochter gepiesackte Vollwaise. Weniger die Verzweiflung des verhassten Aschenputtels als Trotz haben ihr die Gestalter des Musicals auf den Leib geschrieben. Die zwei Haupt-szenen spielen sich zwischen dem Gutshof ihrer verstorbenen Eltern, wo sie wie eine Leibeigene behandelt wird, und dem großen Wald ab. Dort findet sie Hoffnung und Zerstreuung und begegnet erstmals dem Prinzen Karl. Diesen spielt Michael Przewodnik ebenso sympathisch, wie zwischendurch den geschäftstüchtigen Stoffhändler, der Stiefmutter und Tochter feines Tuch für den Prinzenball andreht.

Der Prinz ist ebenso unglücklich wie Aschenputtel. Schließlich wird am Hof erwartet, dass er sich beim anstehenden Ball eine Frau auserwählt und heiratet. Ein No-Go für den Prinzen. Melodisch erklärt er dem Publikum: „Ich werde nicht heiraten. Keine Frau, die ich nicht kenne.“ Lieber strawanzt auch er mit seinem Freund Oskar, gespielt von Janina Stiem (die auch die hässliche Stiefschwester mimt), mit der Armbrust über der Schulter durch den Wald. Um den Ball kommt er dennoch nicht herum. Während die Stiefmutter, überzeugend gespielt von der als Krankheitsvertretung eingesprungenen Regina Winter, ihre hässliche und ungehobelte Tochter in ein schrilles Ballkleid kleidet, sehnt sich Aschenputtel nach ihrer Chance den Prinzen zu sehen. Als Stiefmutter und Tochter im Schloss dem Prinzen aufdringlich zusetzen, kommt Aschenputtel auf zauberhafte Weise zu einem zart mit Spitzen besetzten Kleid und einem aristokratisch anmutenden Mantel. Sie kommt ins Schloss und findet einen völlig entnervten Prinzen vor, der nach den Begegnungen im Wald endlich der Liebe seines Lebens gegenübersteht. Doch zu spät gesteht er ihr seine Liebe und Aschenputtel flüchtet vor ihm, dem Leben und der Stiefmutter in den Wald. Die gute Waldfee, gespielt von Regina Winter, setzt den Fluchten ein Ende: Trickreich agiert sie mit dem legendären Schuh und sorgt so fürs Happy End.

Das Leonberger Publikum applaudiert voller Begeisterung und bekommt sogar eine Zugabe. Das Aschenputtel dieser Inszenierung hat großen und kleinen Zuschauern gezeigt, dass auch in ausweglos scheinenden Situationen Selbstbewusstsein, Klugheit und Mut die Tür zum großen Glück öffnen können.