Ina Dielmann führt die Gäste kostümiert durch die historische Altstadt und erzählt manche Anekdote. Sie trägt das historische Kostüm mit Würde.

Leonberg - Sibylla, Herzogin von Württemberg, ist eine stattliche Person. Sie trägt ein ausladendes schwarzes Kleid in der Mode des Spanischen Hofes. Die weißen Ärmel sind mit hochwertigen Stickereien besetzt und ihren Hals ziert eine ausladende weiße Halskrause aus Spitze.

 

Stadtführerin Ina Dielmann schlüpft in die Rolle der fünfzehnfachen Mutter und Ehefrau von Herzog Friedrich I. Sie trägt das historische Kostüm mit Würde, wenn auch in einer etwas einfacheren Version als das Original. Und an diesem Samstagabend zur Stadtführung rund um das Leonberger Schloss und den Pomeranzengarten ist es auch nicht zu heiß. Das ist gut, denn wie Sibylla trägt auch die Stadtführerin standesgemäß Korsett und warmen Unterrock, wie sie den mehr als 70 Teilnehmern der Stadtführung verrät.

Das Leonberger Schloss ist heute Sitz des Finanzamtes und daher von innen nicht zu besichtigen. Von außen ist die Südseite zur Stadtmauer und Bahnhofstraße sehr schlicht gehalten, und auch die Fassade zum Schlosshof hin lässt kaum noch erahnen, dass dieses Gebäude einst Witwensitz einer Herzogin war. Das Schloss wurde unter Graf Ulrich I. von Württemberg erbaut, erzählt Sibylla. Die um 1248 gegründete Stadt Leonberg erhielt die Burganlage als Teil der Stadtbefestigung. 1570 wurde sie zum Schloss umgebaut und lange als Jagdschloss genutzt. Der heutige Eingang zum Finanzamt war der Marstall für die Pferde, Kutschen und Sänften. Das Gebäude links davon beherbergte die Kelter.

Der Übergang zur Stadtkirche ist nicht mehr erhalten

Da es im Schloss keine eigene Kapelle gab, ließ sich Sibylla von Baumeister Heinrich Schickhardt einen Übergang zur gegenüberliegenden Stadtkirche bauen, der jedoch nicht erhalten ist. Rechter Hand liegen die ehemaligen Küchenräumlichkeiten und der Eingang zum Weinkeller, in dem etwa 4000 Liter Wein eingelagert waren. In den oberen Stockwerken wohnte die Herzogin, wie sie erzählte. Zur Bahnhofstraße hin ließ sich Sibylla vom Baumeister eine Art Balkon auf die Stadtmauer bauen. Von dort aus konnte sie ihren Pomeranzengarten genießen, den sie 1609 ebenfalls bei Schickhardt in Auftrag gab.

Und so geht es bei der Kostümführung auch weniger um das historische Gebäude, als vielmehr um die Person und Frau Sibylla, die 1608 als Witwe hier einzieht. Bis dahin hatte sie mit ihrem Mann, Friedrich I. in Stuttgart gelebt. Eine Liebesheirat muss es wohl gewesen sein, als die damals 16-Jährige den sieben Jahre älteren Friedrich kennenlernt. Der ist gerade auf „Kavalierstour“, also auf der Suche nach einer standesgemäßen Frau. Sibylla gefällt ihm, und so wird 1581 geheiratet. 17 250 Gulden bringt sie mit in die Ehe. Zum Vergleich: Ein Haus auf dem Leonberger Marktplatz kostete 300 Gulden. Aber allein die prächtige Hochzeit verschlingt 20 305 Gulden und 15 Kreuzer, wie Ina Dielmann historischen Dokumenten entnahm.

Doch es gibt viel Streit in der Ehe und Herzog Friedrich zieht sich immer wieder mit einer seiner zahlreichen Mätressen in die Kur zurück. Dennoch entstammen der Ehe 15 Kinder, von denen zehn das Erwachsenenleben erreichen. Und das ist gut so: Wäre Friedrich kinderlos geblieben, wäre Württemberg an Österreich gefallen.

300 Gulden hat der Pomeranzengarten gekostet

Als Friedrich 1609 stirbt, übersiedelt Sibylla auf ihren Witwensitz. Hier genießt sie vor allem ihren Pomeranzengarten. Das Gelände dafür hat sie der Stadt Leonberg für 300 Gulden abgekauft. Nach einem Jahr ist der im italienischen Renaissance-Stil erbaute Garten mit seinen symmetrischen Beeten und dem Kräutergarten fertig. Das geplante Fischbecken in der Mitte des Gartens lässt sich allerdings damals nicht realisieren, da das Gelände zu abschüssig ist. Schickhardt baut stattdessen einen Brunnen.

Lediglich fünf Jahre kann Sibylla hier ihren Garten genießen, 1614 stirbt sie wie ihr Mann mit 50 Jahren. Sie ist neben Friedrich in der Gruft der Stuttgarter Stiftskirche begraben.